Bryan Ferry: Der Ästhet


Der ehemalige Roxy-Musiker Bryan Ferry zeigt wieder mal Geschmack - mit großen Songs einer vergangenen Epoche.

Ihr neues Album – „As Time Goes By“ – klingt nach längst vergangenen Zeiten.

Nach den dreißiger Jahren, ja. Mein Produzent Rhett Davies mußte mich bremsen, damit ich es nicht zu weit treibe. Wenigstens sind einige Songs in Mono aufgenommen. Und mein Pianist Colin spielt sehr oft im Stil der dreißiger Jahre, so wie Teddy Wilson. Die früheste Musik, an die ich mich erinnern kann, waren die Platten meiner Tanten. Ich war vielleicht fünf Jahre alt. Aber ich erinnere mich genau an diese amerikanischen Standards, echte Klassiker. Als ich dann, so mit elf Jahren, selbst Musik-Fan wurde, war Charlie Parker mein Lieblingsmusiker und Billie Holiday meine Lieblingssängerin.

Mit dem „September Song“ ist sogar deutsches Liedgut vertreten.

Klar, ich bin ein großer Fan von Kurt Weill! Ich wollte schon immer mal einen Song von ihm aufnehmen. Und der „September Song“ ist perfekt. Ich glaube, wir haben ein schönes Streicher-Arrangement dafür gefunden.

Was fasziniert Sie so sehr an den Dreißigern?

Ich liebe die dunklere Seite dieser Epoche, den Cotton Club in Harlem oder die Cabarets von Berlin – Staub auf dem Fußboden und alles voller Zigarrettenqualm. Die amerikanischen Musicals mit Fred Astaire dagegen spielten in einer perfekten Welt, wo alles sauber und schön war und die Wände weiß gestrichen. Und dann noch diese schönen Frauen!

Die perfekte Illusion?

Genau! Eine der stärksten Bewegungen der Dreißiger war der Surrealismus, den ich sehr schätze. Und was die Musik betrifft: Die hat erst in den Fünfzigern ihre Vitalität wiedergewonnen, und zwar mit dem Rock’n’Roll.

Wie stehen die Chancen für eine Reunion von Roxy Music?

Gerade jetzt zum Beispiel sehr gut, zu einer Zeit, in der Virgin unseren Back-Katalog neu rausbringt – das wäre eigentlich ein guter Zeitpunkt. Aber ich werde bei dem Gedanken an eine Reunion von Roxy immer so verdammt nostalgisch.

Es ist also nur noch eine Frage der Zeit?

Ich würde sehr gerne eines Tages wieder mit Andy McKay und Phil Manzanera auftreten, auch mit Brian Eno – aber Brian betritt keine Bühne, das macht ihm keinen Spaß mehr. Im Studio würde es schon klappen. Für mein nächstes Projekt, ein Album mit eigenen Songs, ist Brian bereits fest gebucht.

Schlummert noch unveröffentlichtes Material in Ihren Archiven?

Nicht viel, nein. Ein paar Live-Aufnahmen, glaube ich, und das erste Demo von Roxy Music. Das ist allerdings ziemlich interessant. Wir sollten es bei Sotheby’s versteigern lassen.

Haben Sie vom Glam-Revival Notiz genommen, das von Filmen wie „Velvet Goldmine“ geschürt wurde?

Ich bin mit Brian Eno nach Cannes zur Premiere gefahren. Wir saßen zusammen im Kino, und es war sehr nett. Denn für den Film wurden ein paar Songs von Brian und mir benutzt. Am Ende gab’s Beifall. Sehr lustig.

Obwohl der Film so manchen enttäuscht hat?

Das können andere besser beurteilen. Er hatte bestimmt seine starken Momente und beeindruckenden Szenen. Aber um ehrlich zu sein: Ich konnte dem Plot nicht ganz folgen.

In den 70er Jahren waren Sie lange mit Jerry Hall zusammen. Ist Ihre Trennung von Mick Jagger für Sie eine späte Genugtuung?

Nein, die ganze Sache bringt mich höchstens zum Lachen. Mit den dreißig Millionen Mark Abfindung, die er Jerry zahlen muß, ist Mick aber noch ganz gut weggekommen.