Der „Parthenon der Bücher“ auf der documenta 14 ist ein kollektives Kunstwerk gegen die Zensur


Die Künstlerin Marta Minujín hat für die Kunstausstellung documenta 14 einen Parthenon aus verbotenen Büchern geschaffen – als Zeichen gegen die Zensur. Sogar die Harry-Potter-Bände sind dabei.

Der Parthenon auf der Akropolis gilt als Sinnbild der Demokratie, die sich im 5. Jahrhundert in Griechenland entwickelte. Der Tempel, ein Denkmal des Volkes, dessen Bau von ebenjenem Volk demokratisch beschlossen und umgesetzt wurde, erlebt fast 2500 Jahre nach der Grundsteinlegung auf der documenta 14 in Kassel eine erneute Wiedergeburt als Kunstprojekt.

Der Parthenon-Tempel auf der Akropolis in Athen wurde ab 447 v. Chr. errichtet.
Der Parthenon-Tempel auf der Akropolis in Athen wurde ab 447 v. Chr. errichtet.

Die argentinische Künstlerin Marta Minujín hat das Parthenon in Kassel aus Büchern errichtet. Er ist mit einer Breite von 30 Metern, Länge von 65 Metern und 20 Metern Höhe eine maßstabsgetreue Nachbildung des Originals. Die „Fassade“ des Bauwerks besteht aus Büchern, die aus allen Teilen der Welt kommen und entweder verboten sind oder waren oder in manchen Ländern nicht verbreitet werden, zum Beispiel „Die Leiden des jungen Werther“, „Der kleine Prinz“, die Bibel und „Alice im Wunderland“.

Gesammelt wurden die Werke seit der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr und kamen von Institutionen, aber auch Privatpersonen. Das Ziel von Minujín war es, 100.000 Bücher im Parthenon zu verbauen. Nun sind es nur rund die Hälfte geworden – knapp 55.000, wie die documenta mitteilt. Die Liste der Bücher, die der Zensur unterliegen, beläuft sich nach Stand von Mai 2017 auf 70.000 Stück.

Die Künstlerin, Marta Minujin, vor ihrem Werk.
Die Künstlerin, Marta Minujin, vor ihrem Werk.

Auch der Standort des Bücher-Parthenons, der Kasseler Friedrichplatz, ist bewusst gewählt. An dem Ort wurden am 19. Mai 1933 unter dem nationalsozialistischen Regime rund 2.000 Bücher verbrannt. Im benachbarten Fridericianum, das als zentraler Ausstellungsort der documenta dient und während das Zweiten Weltkriegs eine Bibliothek beinhaltete, wurden 1941 durch einen Bombenangriff 350.000 Bücher zerstört. Eine weitere geographische Komponente bei dem Projekt war die Verbindung zu Athen, in der das „originale“ Parthenon steht – die documenta 14 findet dieses Jahr auch in der griechischen Hauptstadt statt.

Der „Parthenon der Bücher“ neben der „Kunsthalle Fridericianum“ auf dem Friedrichplatz in Kassel.
Der „Parthenon der Bücher“ neben der „Kunsthalle Fridericianum“ auf dem Friedrichplatz in Kassel.

Die 55.000 Bücher, die seit dem 10. Juni 2017 bis zum 17. September 2017 auf der diesjährigen documenta zu sehen sind, sind sorgfältig in Folie verpackt worden und sollen nach Ende der Ausstellung an Menschen gespendet werden, die sich keine Bücher leisten können. Wer zur Installation beitragen möchte, kann hier nähere Infos zur Bücherspende erfahren und auch eine eine Kurzliste der verbotenen Bücher (etwa 170 Stück) einsehen, aus denen das Bücher-Parthenon größtenteils besteht.

Die Bücher wurde auf Wunsch der Künstlerin farblich angeordnet.
Die Bücher wurde auf Wunsch der Künstlerin farblich angeordnet.

Der aktuelle „Parthenon der Bücher“ geht auf eine sehr ähnliche Installation von Minujín selbst aus dem Jahr 1983 zurück. Nach dem Zusammenbruch der argentinischen zivil-militärischen Diktatur wurde in Buenos Aires „El Partenón de libros“ aus bis dahin verbotenen Büchern errichtet. Am Ende der Aktion wurden die Bücher wieder in Umlauf gebracht. Ein Kran kippte die Installationen und Menschen konnten sich Bücher aus dem Parthenon mitnehmen.

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