Caravan


Richtig populär ist die britische Band Caravan eigentlich nur in Nordrhein-Westfalen, weil beim WDR in Köln ihr einflußreichster Fan sitzt: der Rundfunk-Moderator Winfried Trenkler, der über Jahre kaum eine Gelegenheit ausließ, ihre LP's auf den Plattenteller zu legen. Ansonsten gilt die Gruppe, die schon 1967 gegründet wurde, noch immer als Geheimtip. Kürzlich tourte sie wieder durch Deutschland. Ingeborg Schober traf die vier Musiker in München.

Richtig populär ist die britische Band Caravan eigentlich nur in Nordrhein-Westfalen, weil beim WDR in Köln ihr einflußreichster Fan sitzt: der Rundfunk-Moderator Winfried Trenkler, der über Jahre kaum eine Gelegenheit ausließ, ihre LP’s auf den Plattenteller zu legen. Ansonsten gilt die Gruppe, die schon 1967 gegründet wurde, noch immer als Geheimtip.

Kürzlich tourte sie wieder durch Deutschland. Ingeborg Schober traf die vier Musiker in München.

Es gab einmal in der kleinen Universitätsstadt Canterbury in der südöstlichen Grafschaft Kent zu England eine Clique musikbesessener Schulfreunde, die gut daran taten, eine Band namens Wild Flowers zu gründen. Denn aus diesen „Wilden Blumen“ wuchsen so eigenwillige Geschöpfe wie Kevin Ayers, Mike Ratledge. Robert Wyatt, also Soft Machine; weiterhin deren spätere Nachkommen (Matching Mole. Egg, Hatfield And the North, usw.), und schließlich Caravan. Das war 1967. Und diese Band lebt immer noch, unbeirrt von Trends, Mißerfolgen und zahlreichen Umbesetzungen: „Es waren wohl an die acht“, meint Pye Hastings, Sänger, Gitarrist und Autor der meisten Caravan-Songs, neben Schlagzeuger Richard Couglan der einzige Überlebende der Urbesetzung. Über zehn Jahre und neun Alben hinweg haben die Caravan-Musiker kontinuierlich ihren Weg fortgesetzt, auf den ihnen eine eingeschworene Fan-Gemeinde folgte: „Wir haben wohl die treusten Fans der Welt!“, meinen heute die Musiker.

Auf der Warteliste für die Hitparade

Als typische College-Band, die landauf landab tagtäglich auf der Bühne stand, haben die Jungs von Caravan sich bis auf den heutigen Tag den Ruf einer Kult-Band und eines Geheimtips bewahrt; der große Erfolg ist ihnen bislang verwehrt geblieben. Sie waren nie an der Spitze, aber immer in der Mitte. „Das komische ist“, sagt Pye Hastings, „daß sich die Alben von mal zu mal mehr verkaufen. Vielleicht kaufen heute die Leute überhaupt mehr Platten, ich weiß es nicht. Aber wir hoffen natürlich weiter, daß wir die richtige Platte, den richtigen Sound und den richtigen Produzenten zur rechten Zeit erwischen.“

Hoffen, das heißt auf einen Hit wie Supertramp oder Gentle Giant oder Genesis, die ebensolange auf ihren Durchbruch warten mußten. Das nächste Caravan-Album steht bereits ins Haus, Alan Parsons hätte man gerne als Produzenten, aber der Herr ist vielbeschäftigt. Und Arista, ihre neue Plattenfirma verlangt nach einer Single: „Wenn du nicht grade Pink Floyd bist, dann ist eine gute Single das Schlüsselding für eine Band. Aber gerade mit diesem Bewußtsein ist es sehr schwer, das richtige zu machen. Unsere Plattenfirma liefert uns laufend Ratschläge und Ideen. Aber wir‘ werden auf keinen Fall etwas machen, was wir nicht wollen.“

Dave Sinclair ging ohne Groll

Pye und Geoffrey Richardson (mit Geige, Gitarre, Gesang, etc. der Multiinstrumentalist der Band), seit 72 dabei, stellen bei unserem Gespräch in München klar, daß sie sehr wohl eine ganz bestimmte Vorstellung von Caravan als Band und Sound haben: „Natürlich ist es heute viel schwerer einen eigenen, spezifischen Gruppen-Sound zu erhalten. Im Moment scheint das auch unser Problem zu sein diese Band wie Caravan klingen zu lassen. Jedermanns Einflüsse ändern sich. Aber solange Pye und Richard in der Band sind, wird es doch so oder so wie Caravan klingen. Und im Augenblick erhalten wir auch von Arista eine Menge Unterstützung, das ist gut.“

Wo andere längst das Handtuch geworfen hätten, da haben Caravan immer einfach einen neuen Gang eingelegt. Etwa 1972, wo sie eine große Identitätskrise durchmachten, oder letztes Jahr, als Organist Dave Sinclair, ebenfalls von Anfang an dabei, durch Jan Schelhaas ersetzt werden mußte. Dazu Geoff und Pye: „Alle haben sich von uns in Freundschaft getrennt. Und wenn einer nicht mehr voll an die Sache glaubt, dann muß er gehen können. Es hat uns jung gehalten. Und es gibt keinen Grund aufzuhören. Noch sind wir nicht an dem Punkt, wo sich die Leute wegdrehen und sagen: uhh! Also, warum die Arbeit all dieser Jahre hinwerfen? Ich sehe keinen Grund. Solange es Spaß macht und uns nicht langweilt? Außerdem, was sollten wir sonst machen?“

Pyes Geständnis löst Gelächter aus. Bei Caravan ist man guter Dinge und sieht weder in Punk, New Wave oder einem sich ändernden Publikumsgeschmack eine Gefahr. Geoff: „Nach dieser langen Phase der Langeweile passiert endlich was! Als ich 1972 bei Caravan einstieg, gab’s neben der etablierten Rockmusik nur Reggae und Skinheads; es mußte was passieren, schon damit die Branche überleben kann. Und es gibt jetzt wirklich eine Menge interessantere Bands als all die Jahre davor.“ Was die Band dennoch erstaunt ist die Tatsache, daß auch ihr Publikum immer jünger wird; das konnte man auch im Münchner Downtown sehen. Zwar waren nicht gerade Punks da, aber die Altersgrenze war 20.

Leichter Windhauch und großes Finale

Konzentriert vertolgten die Zuhörer das makellos harmonische Spiel der Band, die mit einer Art Verzögerungstaktik ohne großen Aufwand dramaturgische Effekte erzielte. Hastings und Coughlan als eingestimmtes Duo hielten die melodiösen Kompositionen zusammen und wurden von Dek Messecar am Baß unterstützt, während Geoff mit seinem flüssigen, aquarellen Geigenspiel die Melodieführung übernahm und vom leichten Windhauch bis zum orchestralen Finale alles mit leichter Hand strich. Eine verträumte Illusionsmusik, zauberhaft und doch sehr stark am Rock’n’Roll orientiert und durch Geoffs Bühnenpräsenz auch etwas fürs Auge. „Ich glaube, die Leute respektieren einfach Energie, die bei uns immer noch in Mengen vorhanden ist,“ meint er. „Und dann stecken wir eine Menge Arbeit in unsere Sachen.“

Wir kommen auf die Platten zu sprechen, die nicht immer die Intensität vom Live-Erlebnis vermitteln konnten. „Better By Far“, das letzte Album, war da ein großer Schritt nach vorn: „Das lag schon an der Produktion, denn richtige Live-Alben können auch sehr langweilig sein. Wir spielten im Studio alles direkt und spontan, also fast live, bis auf Silver Strings, da flippte Tony Visconti, unser Produzent, etwas mit den Effekten aus.“

Als Caravan anfing, war die Studio- und Bühnentechnik noch in den Kinderschuhen, trotzdem wagten sie sich an ziemlich experimentelle Effekte. Wie ist das heute, wo man immer darauf achten muß, ob das auch auf der Bühne realisierbar ist? „Wir lassen keine Ideen weg, sondern versuchen die Platten so einfach wie möglich zu halten,“

Viele Ideen unter einem Hut

Pye Hastings. der gute Geist von Caravan, ist seit 10 Jahren für Band und Repertoire verantwortlich. „Komischerweise erscheint mir diese Zeit nicht länger als 2-3 Jahre“, meint er. Gehen ihm da nicht mal die Ideen aus? „Nicht solange um mich herum Dinge passieren, auf die ich reagieren kann.“ Und wie steht’s mit der Spekulation, daß man bewußt versucht, den ‚Erfolgssound‘ zu finden: „Man probiert’s natürlich, aber es ist sehr schwierig. Ich wünschte, ich könnte es effektiver machen. Besonders bei Caravan ist es ein Problem, all die verschiedenen Ideen unter einen Hut zu kriegen und zu entscheiden, ist das nun Caravan oder nicht!“ Der Lernprozeß hört nie auf in dieser Band, meint Geoff, und wenn wirklich mal das Ende käme, dann würden alle Musik weitermachen. Sessions zum beispiel, wie er es mit Quantum Jump macht: „Ich hatte nie einen richtigen Beruf, und jetzt ist’s dafür wohl auch zu spät, oder?“