Chris Isaak


Knapp sechs Jahre lang galt er als Geheimtip — Regisseur David Lynch, der seinen Song "Wicked Game" im Film "Wild At Heart" einsetzte, verhalf ihm endlich zum Durchbruch. Treibt Chris Isaak jetzt ein fieses Spiel?

Ein komischer Fisch ist dieser Chris Isaak: In seinem fein säuberlich gebügelten Anzug schillert er wie eine Forelle aus Polyester. Und er spielt eine seltsame Rolle auf der Bühne. Eben hat er noch eine unterkühlte Cocktail-Jazz-Nummer gecroont — jetzt senkt er sein Haupt mit charmantem Haschmich-Blick zum Mikrophon. „Bloß weil wir jung sind…“.

haucht er ganz intim und wackelt mit dem Hintern ein Pausenzeichen, „… nur weil wir jung sind, wollen uns die Erwachsenen manchmal nicht verstehen. “ Dabei ist Chris ganz bestimmt nicht mehr der Jungrocker und freche Elternschreck, der zu sein er vorgibt. Und auch das Gros seines Publikums ist schon im gesetzteren Alter.

Aus diesem gewollten Widerspruch zwischen Ideologie und Wirklichkeit, wobei aber auch gar nichts ohne verfremdende Ironie passiert, speist sich das Hauptvergnügen an Isaaks Timewarp-Show. Zwar balgt sich eine zweifelsohne schmeichelhafte Anzahl junger weiblicher Fans um eine Streicheleinheit von der gönnerisch ausgestreckten Star-Hand — wie vermutlich die meisten Anwesenden wurden sie von den Hits „Wicked Game“ und „Blue Hotel“ angezogen und stürzen sich nun voller Euphorie und verzückt ins Geschehen. Den anderen Gästen serviert der smarte Chris eine enzyklopädische Collage aller Rock n‘ Roll-Manierismen von Elvis Presley über Duane Eddy und Roy Orbison bis hin zu Sam The Sham & The Pharaos („Woolly Boolly“) und den Fabulous Thunderbirds.

Verpackt in clevere Arrangements tauchen da alle wichtigen Elemente auf: schmachtendes Tremolo, herzzerbrechende Gitarren-Twangs, schmutziges Röhren in anzüglichen Rhythm & Blues-Nummern. Isaaks Stimme persifliert präzise: die Band — Baß, Gitarre. Drums und Saxophon — rotzt und rollt mit geübtem Swing. Alle Gesten stimmen — bis hin zur unmißverständlichen körpersprachlichen Mitteilung, daß ihn obszöne Fantasien erregen, während er glutvolle Liebesbeteuerungen ins Mikro haucht. Isaaks Show ist die intelligente Inszenierung jugendlicher Gefühle am Ende der 50er Jahre. Alle Details stimmen und sind ebenso wichtig wie die Musik.

Aber die Musik ist lediglich kompetenter Pub-Rock – nicht weniger und nicht mehr. Sogar die Cover-Versionen (Caledonia“. „Wild Thing“, „Woolly : Boolly“ und andere) gehören zur üblichen Diät, wie sie Dutzende von Rockern in diversen Londoner Pubs spielen. Isaaks Vorteile liegen in seinem klassischen Rock ’n‘ Roll-Styling und seiner cleveren Schnauze. Aber am Ende überwiegt in seiner Show so sehr die wohl nicht immer beabsichtigte : Ironie, daß die Musik kalt bleibt: Dieser Show-Hülle fehlte die Seele.

Das demonstrierte isaak schließlich selber: Nachdem er ein paar verlegen quietschende Mädchen auf die Bühne gehievt hatte, um sie schmierig zu umtanzen, ließ er sie wie abgefütterte Gänse bei seinem Bühnenabgang sang- und grußlos stehen. So machte er sie nur lächerlich, was im Publikum als krasser Falschton gewertet wurde. Schade drum — denn vorher hatte er fast alle davon überzeugt, daß man außer schlauer Ironie nichts weiter zum Leben braucht.