Chris Martin: Er spielt Melodien für Millionen


Dieser Schlacks schenkt uns Träume. Er ist ein arger, ein großer Emotionalisierer, der Chris. Seine Band Coldplay spielt gestenreichen Poprock aus viel Hall und reichlich Moll. Aus dieser Musik tönen einem allenthalben mehr als Ahnungen von dem entgegen, wie es war, als U2-Hymnen anrührten, Radiohead noch nicht entrücktwaren und ein Song wie „Hunting High And Low“ von A-ha es noch belohnte, das Formatradio eingeschaltet zu haben. Letzteren pflegt Chris Martin ein ums andere Mal live als letzte Zugabe solo am Klavier zu spielen – obwohl er durchaus in der Lage ist, selbst solche Klassiker zu schreiben. Mit internationaler Wirkung: Die wenig explizit britischen Coldplay haben es geschafft, auch den amerikanischen Markt zu erobern. Dort bekommt Chris Martin vor allem von der Musikantenprominenz dicke Probs – bis hinüber ins HipHop-Lager, wo ein ganz Coldplay-süchtiger Timbaland inzwischen laut darüber nachdenkt, seine Beats hinzuwerfen, um mit Chris Martin und Band zusammenzuarbeiten. Der revolutioniert am Ende noch die halbe Popwelt, ohne jeden Revoluzzeransatz. Bis auf die immer wieder erneuerte Filzer-Aufforderung auf Chris‘ rechter Hand natürlich: „Trade fair!“ Danke dafür: Alan McGee, einst Chef des Creation-Labels, schimpfte im Sommer 2000 über die Qualitäten Coldplay’sche Lieder: „Bettnässer-Rock“ sei das. Schon daran, dass dies Chris Martin nicht nach altem britischen Biz-Brauch als Eröffnung einer mehrwöchigen Schlammschlacht verstand, vielmehr in sich hinein horchte, gar zweifelte, um schließlich nur seine Musik sprechen zu lassen, lässt sich eine „andere“ Qualität dieses Musikers erkennen. Jenseits von Großmaul. Das hat er uns beschert: Popmusikalisch erhabene Momente von drei, vier Minuten zwischen all dem Müll in Radio und Fernsehen. Manches Seufzen.

Das wollen wir als nächstes von ihm sehen: Dass er brav auf seine Gattin Gwyneth Paltrow hört und trotz Familienvaterpflichten das Musizieren in diesem Jahr nicht ganz bleiben lässt.