Chucky, die Mördergruppe


Chuckamuck

Die Berliner Indie-Punks Chuckamuck verkörpern den Traum vom Rock’n’Roll wie keine andere deutschsprachige Band.

Mit einem Besuch bei Chuckamuck betritt man eine Fantasie: die vom Ausbruch in die wilde Welt des Rock’n’Roll. Chuckamuck, eben mit der Schule fertig geworden, haben ihren Proberaum in einem heruntergekommenen Altbau an der Torstraße, wo Berlin am meisten nach Großstadt aussieht. Teilweise wohnen sie dort sogar. Die beiden Songwriter, Sänger und Gitarristen, Oska Wald und Lorenz O‘Tool laden zu Tee und Zigaretten ins letzte Zimmer einer mit Kreativchaos vollgestopften Wohnung des Hauses.

Dort haben sie gerade erst letzte Szenen ihres neuen Videos zur Single „Hitchhike“ gedreht. Die anderen spielen in Dänemark: Die Band säuft, hüpft durch ein Sommerfeld, tobt im Schwimmbad – immer wieder unterbrochen von knalligen Zeichentricksequenzen, für die Wald ebenso wie für das komplette Artwork der Band verantwortlich zeichnet. Alles sehr DIY, alles sehr lebendig und echt. Der Automatismus, als deutschsprachige Band entweder verkopft, pathetisch oder karnevalslustig sein zu müssen, greift hier nicht. Chuckamuck singen zeitlose Texte, die sich der unschuldigen Sprache deutscher Rocker aus den 50er-Jahren und des Dada-Humors der frühen Ärzte bedienen. Dabei ist mehr Ernst im Spiel, als man zunächst denkt. Angesprochen auf ihren „Fischsong“, in dem O’Tool einen Lachs erbricht und sich darüber freut, dem Fisch die Freiheit geschenkt zu haben, sagt die Band mit geraden Mundwinkeln: „Der Song beruht auf einer wahren Begebenheit. Lorenz hat sich da wirklich vergiftet, das war gar nicht witzig.“ Dann macht sich doch Gelächter breit.

Das neue Album der Band heißt JILES und ist nach ihrem Drummer benannt. O’Tool: „Das klingt halt so verdammt gut: Dschailes! Ehren wollten wir unseren Schlagzeuger damit nicht, aber er freut sich natürlich.“ Großartig unterscheidet es sich nicht vom 2011er-Debüt WILD FOR ADVENTURE. Etwas produzierter – Moses Schneider saß an den Reglern – etwas experimentierfreudiger – man beachte den nur mit Handgelenksknochen eingespielten Drum’n’Bass-Part in „War was“ -, aber prinzipiell weht hier derselbe Geist der Universalität von Rock’n’Roll.

Ihren schönsten Live-Moment hatten die Chuckies 2012 im brandenburgischen Ringenwalde. Sie verbrachten dort ihren Urlaub, als sich die Chance ergab, auf einem Dorffest zu spielen: „Niemand kannte uns, aber bei den Jugendlichen war sofort Pogo und bei ihren Eltern Paartanz. Im Hintergrund bewarfen sich Kinder mit Birnen. Das war immer mein Traum, alle zu vereinen“, sagt Wald. JILES ist eine offene Einladung, Teil dieses Traums zu werden.

Albumkritik S. 78