Covervisionen: Album-Artworks unter der Lupe. Diesmal: Overpowered von Roisin Murphy


In einem gut gefüllten Cafe im Osten Londons rührt die postmoderne Diva in ihrem nicht mehr allzu gut gefüllten Kaffee und grübelt über die Lebenserwartung ihrer „Beans & Sausages“ nach. „Wir mussten das den ganzen Tag essen – der Besitzer des Ladens hat sicherlich noch nie einen so hohen Tagesumsatz gemacht“, erinnert sich Murphy. Gekleidet ist sie in einem wollenen Wahnsinn, der sogar Björk beschämen dürfte – ein erfrischendes Mode-Statement an eine Welt, die sich dem neuen Frolleinwunder einer Kate Nash beugt.

Ein reales Cafe als Setting zu benutzen, war nicht die erste Wa h I der Crew. „Ursprünglich wollten wir eine eigene Kulisse bauen“, sagt die 34-Jährige. „Aber das hätte nicht authentisch gewirkt. Also suchten wir uns ein stinknormales Cafe ohne jeden Charakter aus – für das Leben darin waren wir zuständig.“

Scott King ist der Art Director von Overpowered. Der Grafikdesigner machte bislang als Layoutchef des „i_D Magazines“ auf sich aufmerksam. Auch sein Che-Guevara-Icon mit den Gesichtszügen Chers könnte geläufig sein. Auf der kontroversen RAF-Ausstellung in den Berliner Kunstwerken waren u. a. seine Mona-Lisa-Darstellung „Mona Meinhof“ und das „Prada Meinhof“-Logo zu diskutieren, mit denen er eindrucksvoll demonstrierte, dass ihn geschichtliche Zusammenhänge nicht ganz so wie stylistische Oberflächlichkeiten scheren – eine Eigenart, die er mit dem selbst erkorenen Sex-Pistols-Fädenzieher Malcolm McLaren teilt, der auch zu Kings Kunden zählt. Die Wege von „Roi-sheen“ und King kreuzten sich schon einmal: Als Creative Director von Sleazenation, einem 2004 verschiedenen Londoner Modemagazin mit gesundem Verständnis von Selbstironie, schoss er bereits eine Fotostrecke mit La Murphy: „Einwal fand ich mich auf dem Titelblatt des Magazins wieder, wie ich von einem haarigen Rocker in der Kabine eines Transit-Kleinbusses gevögelt werde. Meine Mutter war sehr stolz auf mich.“

Das Art-Konzept für Murphys zweites Soloalbum entwarfen die beiden gemeinsam: „Ich dachte mir, es wäre gut, wenn wir uon mir als Performerin ausgehen, und zeigte ihm Szenen aus der Moloko-Live-DVD“, berichtet Murphy. King antwortete mit einer Vorführung von David Bowies Video DJ, auf dem der Thin White Duke eine Londoner Hauptstraße entlangspaziert. „Scott hatte die Vorstellung uon mir als einer Art Straßendiva. die immer und jederzeit ihre ausgeflippten Coture-Klamotten trägt, auch wenn sie nur eben in der Frittenbude um die Ecke Würstchen und Baked Beans essen geht-oder wie eine Bettelkönigin, die in prächtigen Gewändern fotografiert wird und den größtmöglichen Eindruck hinterlassen will“, erzählt Murphy. Auf dem Single Cover von „Overpowered“ trägt sie stringenterweise ein Ungetüm an Kleid der Nobelmarke Viktor & Rolf, das mit einer eigenen, Erfahrungsberichten Murphys gemäß „sehr schweren“, Beleuchtungsanlage ausgestattet ist, die sie sich auf den Rücken schnallen musste.

Dieser fette, von der Plattenfirma oktroyiert wirkende Stempel, ruiniert das stimmige Artwork nur vermeintlich -laut Murphy ist er Teil des Geamtkonzepts: „Die ganze Grafik ist durchgehend sehr schön und fantasievoll – und obendrauf prangt dann etwas sehr Brutales. Dieser Widerspruch ist absolut gewollt und soll das Verhältnis zwischen Künstler und Produktausdrücken“, sagt die Irin. Es wäre nicht das erste Mal, dass Murphy sich in seltsame Posen oder ebensolche Klamotten für die Kunst wirft: „Wenn ich Fotos für ein Cover mache, wie für das zweite Album von Moloko, und dabei inmitten eines Sturms auf einem Schweizer Berg stehe und fast schneeblind werde, weil ich versuche, eine Kuh in Ritterrüstung zu melken (Murphy, nicht die Kuh; Anm. d. Red), frage ich mich schon mal, was das eigentlich alles soll. Aber ich mag das Verrückte daran“, sagt sie.