Crosby, Stills & Nash


Der „Rolling Stone karikierte sie jüngst in freudiger und fester Umarmung: einen glücklich schmunzelnden David Crosby, einen fröhlich grinsenden Stephen Stills und einen britisch verschmitzten Graham Nash. Waren es am Ende nicht nur die Fans, die nach einer Wiedervereinigung verlangten? Die gemeinsame Produktion der neuen LP „CSN“ (Kritik siehe ME 8/77) ist den drei Mitgliedern der großen amerikanischen Band der ausklingenden sechziger Jahre offenbar gut bekommen; im Verlauf der anschließenden Sommertournee quer durch die USA wirkten sie ausgesprochen harmonisch und frisch. Europa stand bislang noch nicht auf ihrem Konzert-Fahrplan, obwohl sich auch deutsche Veranstalter um sie bemüht hatten.

Crosby, Stills und Nash wieder gemeinsam auf Tournee ein ganzes Rock-Volk hatte darauf gewartet. Entsprechend groß war auch der Zustrom zu den Konzerten: Zwischen der amerikanischen Ost- und der Westküste holte das legendäre Trio in jeder Stadt zwischen lo.ooo und 3o.ooo Leute vor die Bühne. Trotz reichlich verklärter Erinnerungen bei vielen Freaks machte sich nirgendwo Enttäuschung breit: Crosby, Stills & Nash rutschten nicht in einen wehmütigen Nostalgie-Trip, sondern rockten höchst lebendig und mit neugewonnener Kraft – die Woodstock-Ära betrachten sie wohl längst als bewältigtes Kapitel ihrer ruhmreichen Vergangenheit.

Alle drei waren musikalisch in Hochform und hatten mit dem Drummer Joe Vitale, mit George „Chocolate“ Perry (Baß) sowie dem Keyboardmann Craig Doerge zuverlässige Stützpfeiler dabei. Während Crosby und Nash sich in der Hauptsache auf sanfte, melodische Töne konzentrierten, lieferte Stills die erdigen, dynamischen Beiträge. Der Harmoniegesang hat nichts vom Zauber und der Exaktheit früherer Tage eingebüßt – wie sich schon bei der Arbeit im Studio herausstellte. Ob „Pre Road Dawns“, „Love The One You’re With“ oder der neue Single-Titel „Just A Song Before I Go“, das Publikum war zufrieden. „Our House“ entpuppte sich als größter Publikumserfolg, und „Teach Your Children“ schließlich gab’s wie eh und je als Zugabe.

Dieser Titel war es auch, der die Band – nach etlichen gescheiterten Anläufen in den vergangenen Jahren – geradezu filmreif wieder zusammenführte. Stills besuchte Crosby und Nash bei einem ihrer Konzerte in Los Angeles backstage, und obwohl mal wieder dicke Luft herrschte, begrüßte man sich freundlich. Stills sprang bei „Teach Your Children“ mit auf die Bühne und wurde jubelnd vom Publikum empfangen. Welche Wohltat für seine angeknackste Psyche! Damals wurde endgültig der Grundstein zu einer Wiedervereinigung gelegt, wenn auch ohne Neil Young. Dieses Thema ist für die drei erledigt. „Neil ist Neu und CSN ist CSN“, heißt es.

Warum waren Crosby und Nash sauer auf Stephen und warum war er am Boden zerstört? Was 1976 als Stills/Young-Band lief (LP: „Long May You Run“), war ursprünglich als echtes Crosby, Stills, Nash & Young-Projekt geplant. Alle vier hatten sich tatsächlich zusammengerauft. Dann aber gerieten Crosby und Nash mit ihren Produktionsterminen ins Schleudern. Stills und Young machten daraufhin das Album allein fertig, nachdem sie alles gelöscht hatten, was von den anderen beiden schon eingespielt war, und starteten ihre Konzertreise. Nach vier Wochen setzte Neil sich ab, und zwar ohne vorherige Ankündigung. Stephen erfuhr per Telegramm, daß die Tour geplatzt war. Wenig später reichte seine Frau, die französische Sängerin Veronique Sanson, die Scheidung ein. Viel Kleinholz auf einen Schlag. Aber Stills rappelte sich am Ende wieder auf.

CS & N sind musikalisch in Hochform. Ihr Harmoniegesang hat nichts vom Zauber und der Exaktheit früherer Tage eingebüßt.

Die Zeit der Ego-Probleme scheint nun – vorerst zumindest – vorbei zu sein. David und Stephen, die sich früher wegen Kleinigkeiten alle paar Minuten in den Haaren lagen, hielten es sogar wochenlang friedlich nebeneinander aus, als die Band während der Aufnahmen von „CSN“ gemeinsam in einem Haus residierte.

Die drei Rockhelden sind eine ganze Portion älter geworden. David Crosby hat im Laufe der Jahre reichlich Fett angesetzt, Stephens Haare lichten sich ebenso wie bei Crosby, und wenn er grinst, zeigt er eine herausfordernde Zahnlücke. Nur Graham Nash ist hager geblieben, hat seinen vollen Schopf behalten und nur ein paar markante Falten im Gesicht dazugewonnen. Er und David sind all die Jahre hindurch dicke Freunde geblieben. Den unruhigen Steve haben sie wieder in die Mitte genommen. Sie geben ihm zur Zeit den moralischen Background, und er gibt ihnen dafür seine markante Ausdrucksfähigkeit. Stüls* Soloproduktionen gaben schließlich jederzeit mehr her als die oft allzu seichten Crosby/Nash-Platten.