Das Börsen-Monopoly – „Wall Street“


Amerikanischer Traum verkehrt: Nicht der Gute wird belohnt, sondern der Böse. Harte, ehrliche Arbeit zählt nicht mehr, nur miese Tricks führen zum Sieg. "Platoon"-Regisseur Oliver Stone zeigt Michael Douglas als gelungenen Fiesling und drehte dabei - ohne es zu ahnen - den Film zum Börsen-Crash.

Alles muß anders werden. Bud Fox (Charlie Sheen) ist Anfang 20 und unzufrieden. Tagsüber sitzt er vor einem grün schimmernden Computer-Monitor und verdealt Aktienpakete an irgendwelche Investoren. Mit einigen Dutzend Kollegen drängt er sich in einem überfüllten Großraumbüro und schlägt sich um Kunden und Schnäppchen.

Nachts sitzt er in einem kärglichen 16qm-Appartement vor seinem Personal-Computer und geht die Aktien-Kurse durch. Trotz seines Ehrgeizes und all der Arbeit muß er noch immer Geld von seinem Vater (Martin Sheen) leihen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Das muß alles grundlegend anders werden.

Bud will weg von den kleinen Fischen, die nicht fett machen. Er hat es auf einen großen Fisch abgesehen, der sich mit den ganz großen Geschäften abgibt. Bud hat es auf den berüchtigten Börsen-Jongleur Gordon Gekko (Michael Douglas) abgesehen. Mit dem will er ins Geschäft kommen.

Mit eiserner Sturheit schafft er’s tatsächlich. Er dringt vor in Gekkos

Büro-Palast im 23. Stock mit Panoramablick zur Wall Street. Bud fädelt ein Geschäft ein und landet einen Coup. Gekko macht ein paar Millionen – und Bud gehört plötzlich dazu, er ist drin. Champagner. Limousinen, Kokain – und immer wieder Dollars, Dollars und nochmals Dollars.

Um drin zu bleiben, aber muß Bud komplett umdenken. Gekko nämlich kam nur deswegen so weit nach oben im Börsen-Monopoly, weil er falsch spielt. Und wenn Bud nur einen Schritt weiter will, das erkennt er schnell, muß er es genauso skrupellos machen.

Oliver Stone plante und drehte „Wall Street“ lange vor dem spektakulären Finanz-Crash vom vergangenen November. Anregung für ihn, so sagt er, war die atemberaubende Wall Street-Karriere eines Bekannten. Getrieben von der Gier nach immer mehr, häufte er Häuser, Autos und Millionen an. Wie in einem – Rausch kaufte und verhökerte er Firmen ganz oder teilweise und machte während einer Mittagspause oft mehr Gewinn, als ein normaler Mensch in seinem ganzen Leben verdienen kann. Stone beobachtete seinen Bekannten, bis dessen Imperium wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Aufstieg und Fall eines Parade-Yuppies also.

Nach dem großen Börsen-Crash sieht man als Zuschauer die Rekonstruktion dieser Faszination mit anderen Augen. Mehr denn je stellt sich die Frage: Was tun die da, wessen Geld wird da verschoben und wo kommt Gewinn her, wo Verlust? Oliver Stone, dessen Vater selbst Wall Street-Broker war, hat das Geschäft nach eigener Aussage bis heute nicht richtig kapiert. Er unternimmt auch nichts, um in seinem Film die hochkomplizierten Vorgänge wesentlich aufzuhellen.

„Wall Street“ läßt nur ahnen, wie die Spielregeln aussehen müssen, nach denen Geld hier „arbeitet“. Aber selbst diese Ahnung und der Blick auf die Menschen und die Motive dahinter ist unheimlich genug. Nicht, daß diese Spielregeln sich von denen der „Dallas“- oder „Denver-Ratten unterscheiden würden. Die reportageartig hektische Kamera, die realen Ereignisse der vergangenen Monate und die fehlende Versöhnlichkeit im Film aber lassen alles geradezu beängstigend wirklich erscheinen.

In einer Szene steht Bud Fox auf der Terrasse seines 5 Millionen $-Penthouses, durchs Fenster sieht man seine hübsche Innenarchitektin (Daryl Hannah) im Bett warten. Doch Bud wird nachdenklich: „Wer bin ich eigentlich“, fragt er sich und blickt aufs nächtliche New York.

Nach „Wall Street“ kann man nur hoffen, daß all die anderen Broker ihre Existenzkrise noch eine Weile hinausschieben.