Das Piepsen der Morphinpumpe


Was haben Sparklehorse, der flüsternde Lo-Fi-Poet Mark Linkous und Gnarls Barkley gemeinsam? Ganz recht: Dangermouse.

Fünf Jahre hat Mark Linkous, „der kreativste, aber auch rätselhafteste Vertreter der Lo-Fi-Generation“, gebraucht, um ein neues Sparklehorse-Album einzuspielen, informiert das Label. Für die Pause gebe es einen „einfachen Grund“: „Mark Linkous fand schlicht nicht die Zeit, neue Songs zu schreiben.“ Es folgt eine lange Liste von trendigen Namen, mit denen er in letzter Zeit im Studio gewesen sein soll. Er selbst ist überrascht: „Cracker? Mit denen habe ich seit Jahren nichts gemacht.“ Die Tatsachen sehen anders aus: Mark Linkous war in die „innere Isolation „gestürzt, die Musik war ihm egal – vieles andere auch.

Mark Linkous war vor dem Schicksal seiner Vorväter in den Kohlengruben von Virginia in die Musikszene von L.A. geflüchtet. Aber die Passion verflog, bis er zufällig mal Radio hörte. Tom Waits spielte Gast-DJ und legte „Jesus’s Blood Never Failed Me Yet“ vom englischen Gegenwartskomponisten Gavin Bryarsauf: „Das Stück ist mein wichtigster Einfluss überhaupt geworden.“ Im Kern von Linkous‘ hypnotischen Liedern stecken zarte, oft geflüsterte Melodien, deren Spuren immer wieder kuriose Fremdgeräusche verwischen. Der narkotische Effekt passte einst gut zur Lebensweise des Künstlers. Während der ersten Englandtour vor zehn Jahren nahm er im Hotel einen Cocktail aus Antidepressiva, Alkohol, Heroin und Valium zu sich und lag 14 Stunden bewusstlos auf dem Boden. Die Ärzte sprachen von einer Amputation beider Beine. Aber Linkous erholte sich und machte zwei weitere Alben, auf denen Gäste wie Tom Waits, PJ Harvey und Dave Fridman auftraten. „Depressionen und der allzu leichte Zugang zu Drogen „machten sein Leben jedoch weiterhin zur Qual. Freunde, „die helfen wollten“, stellten ihm ein Haus in den Bergen von North Carolina zur Verfügung.

Anfangs habe er die eremitische Existenz geliebt, sagt er. Dann sei ihm die Einsamkeit unter die Haut gefahren. Drei Jahre lang habe er nichts anderes getan als Beatles zu hören. Eines Tages dann legte er das grey album auf, das ihm der Studiobastler Dangermouse (Gnarls Barkley) schon vor Monaten geschickt hatte. Die Frankenstein-Montage von Jay-Z’s black album und dem „Weißen Album“ der Beatles begeisterte ihn dermaßen, dass er wieder Lieder singen wollte. Nun hat Dangermouse auch bei der Entstehung des neuen Sparklehouse-Albums mitgeholfen (Linkous plant ein ganzes Album mit ihm, dazu eines mit dem österreichischen Laptop-Avantgardisten Christian Fennesz). Die Schleier um die Melodien haben sich etwas gelüftet. Dafür hat Linkous den schimmernden Gitarrenstil von George Harrison entdeckt. Alles gipfelt im instrumentalen Titelstück, einer Art Tribut an Gavin Bryars: Da läuft ein metronomhaftes Piepsen durch, bis zum Ende. Das sei das tröstende Geräusch, an das er sich vom Spital in London erinnere, sagt Linkous. „Es bedeutet, dass ein Schuss Morphin kommt. Jetzt werden die Schmerzen eine Weile nachlassen.“