Dein Fernseher rockt doch


Nein, das Thema ist noch nicht vom Tisch. Obwohl das, was früher mal zurecht „Musikfernsehen“ genannt wurde, für junge Menschen gemacht war/ist, läßt die Tatsache, daß es dieses per Definition nicht mehr gibt, gerade die nicht mehr ganz jungen einfach nicht los. Weil sie sich noch daran erinnern können, wie ’s früher mal war. Besser? Nein, die meiste Zeit: auch ziemlich fürchterlich. Anders fürchterlich. Es lief auf MTV und Viva fast ausschließlich Musik, aber diese Musik war, genau … Chartsmist. Allgemeinrock. Gebrauchspop. Und der wurde im Programm des Musikfernsehens kaum weniger dumpfbackig und dummdreist an- und abmoderiert als heute eben auch. Aber es gab Inseln, die hießen z. B. „120 Minutes“ oder „Wah 2“. Dort wurden Videos gesendet von interessanten Bands. Und ab und an wurden diese sogar interviewt. Und an einem besonders guten Tag waren da auch noch ein oder zwei interessante Fragen dabei. Auf MTV! Auf Viva! Kein Scheiß!

Nun sollte man wohl vielleicht besser den deprimierenden Istzustand im „Musik-TV“ akzeptieren – und der sieht 50 aus ider Markt, der lügt doch nicht!): Der Zielgruppen-Jugendliche interessiert sich nicht nur nicht für Pop- und Rockmusik. Er will vielmehr und viel lieber als Dummbatz verstanden und angesprochen werden, der auf folgende Dinge fixiert ist: Besitz-und Reichtum seiner Stars]. Sex, Vulgaritäten und Balzgehabe, Sozial- und Beziehungsringelpietz mit dem Tiefgang einer Discobekanntschaft früh um 4, formatiertes Gesinge, Getanze und Angerufe als Ausdruck vermeintlicher Individualität.

Doch stop, nicht feuilletonistische (Pop)Kulturkritik soll hier in Stein gemetzt werden. Nein, es geht eigentlich um etwas ganz anderes. Nur um die einfache Feststellung, daß eben jene Feststellung, daß es Musik und vor allem gute Musik im Fernsehen nicht mehr gibt, gar nicht stimmt. Anerkannte Meister der anspruchsvolleren Popunterhaltung wie The Strokes, Massive Attack. Radiohead etc., aberauch unbekanntere Bands wie die Arctic Monkeys oder Mocky sind dann fortwährend zu hören. Sogar im Musikfernsehen! Allerdings fast ausschließlich zwischen der Musik bzw. in eben jenen billig einkgekauften oder zusammengeschusterten Programmteilen,indenen es um alles mögliche geht oder zu gehen scheint – nur nicht um Musik.

Aber nicht nur dort rockt die Kiste. Ob in Soaps, in der Sportschau oder bei sog. Reportagen über Auto-Tuner-Szenen oder die Herstellung von Schokoriegeln: Fast überall spielen sie die ME-Lesercharts rauf und runter. Naja, nicht wirklich runter, eigentlich nur kurz an – in Trailern und inspirationsfrei verwackelten Kamerafahrten oder im Hintergrund einer sterilen Möbelhauskulisse, in denen sich kurz angelernle Akkorddarsteller unablässig Seichtigkeiten um die Ohren hauen. Genau die Musik, die. mit so etwas wie Liebe und Verstand und Handwerk und Talent gemacht, eine nähere Betrachtung, eine“.Heavy Rotation“, eine inhaltliche Auseinandersetzung lohnen würde, wird im Fernsehen bevorzugt als Geschmacksverstärker und Dringlichkeitsvermittler eingesetzt. Das nenne ich perfide. Statt wenigstens ganz die Finger davon zu lassen, sudeln sie die schönen Lieder auch noch ein.