DER BEAT, DER AUS DEM HANDY KAM


Eigenbrötler mit klassischer Ausbildung, Meisterproduzent und Solokünstler: Jon Hopkins ist schwer zu greifen.

„Lost in music.“ Jon Hopkins sagt das zwei Mal im Interview. Ein gutes Konzert bedeute für ihn, sich vollkommen im Sound verlieren zu können, gleich, ob er selbst auf der Bühne steht oder sich einen interessanten neuen Electronic-Act anschaut. Mit eigenen Albumproduktionen hielt der Brite sich bislang zurück, lieber werkelte er im Hintergrund – als Produzent (von Coldplay), Kreativpartner (von Brian Eno und King Creosote) und Remixer (für Four Tet, Wild Beasts und David Lynch).

Zum „Household name“ werde man damit nicht, merkt Hopkins an. Mit dem neuen Album IMMUNITY (Musikexpress-Platte-des-Monats Juni) aber macht er einen hörbaren Schritt heraus aus der Anonymität. Das Prinzip Hopkins gewinnt in den acht Tracks an Klar- und Schönheit, in seinen Soundkunstwerken treffen strenge technoide Strukturen wie selbstverständlich auf Field Recordings und Mitschnitte aus dem Leben nebenan. Und manchmal ist selbst der alles tragende Beat aus einer Aufnahme entstanden, die Hopkins draußen gemacht hat, ohne Idee für die Verwertung. „Den ersten Track des Albums, „We Disappear“, habe ich über einen Beat entwickelt, den ich selbst, fast unbemerkt, produzierte. Das war auf einem Festival in Schottland, als ich feststellte, dass ich mit meiner Hand einen Rhythmus auf einen Tisch schlug, der mich richtig mitzog. Das hab‘ ich dann auf meinem Handy aufgezeichnet, die Aufnahme ist jetzt im Track zu hören.“

Es gab Zeiten, da schien Hopkins‘ Werdegang bereits vorgezeichnet, Karriereaussicht: Konzertpianist. Er studierte am „Junior Department“ des Royal College of Music in London und gewann einen Wettbewerb mit seiner Auff.shortührung von Ravels „Klavierkonzert in G-Dur“. Zur selben Zeit entdeckte er Acid House und die Musik von New Order und den Pet Shop Boys. Und dass das geregelte Leben eines Konzertpianisten nicht sein Ding war. „Ich versuche, so wenige Noten zu spielen, wie’s nur geht. Wenn ich von jemandem beeinflusst bin, dann ist das Thomas Newman.“(US-Filmmusik-Komponist, der zuletzt den Soundtrack für „James Bond – Skyfall“ schrieb, Anm. d. Redaktion)

2008 bestritt Hopkins als DJ eine komplette Tour mit Coldplay. Hat ihn das nicht auf den Geschmack gebracht, seine Loops und Field Recordings einmal im Band-Rahmen auszuprobieren? Hopkins winkt ab: „Ich weiß, dass ich lieber allein an meinem Ding arbeite oder andere auf ein gutes Level bringe.“ Mit IMMUNITY hat er die Ausdrucksmöglichkeiten der elektronischen Musik gerade um ein paar Klangschichten erweitert. Die Latte für alle Arbeiten im Grenzbereich von Clubmusik und Soundtrack ist 2013 sehr hoch gelegt.

Albumkritik ME 6/13