Detroit „Rock“ City?


Bei dem Wort „Garagenrock rümpft Jason Stollsteimer die Nase. Grund genug, The Von Bondies zu einem Streifzug durch Musik aus und über Detroit einzuladen.

Man muss Detroit einfach als spirituelle Heimat des Garagenrock bezeichnen „, sagt ausgerechnet Springsteen-Gitarrist Steve Van Zandt, der seit letztem Herbst fast jede Woche nach Detroit fliegt, um in seiner Radiosendung „Little Steven’s Underground Garage“ zu beweisen, dass sich zahlreiche junge Bands auch heute noch auf MC5 und The Stooges berufen. Der )ubel um die Kapellen, die im Sog der White Stripes den Sprung aus den Kellern von Detroit geschafft haben, ist in den letzten zwei Jahren so laut geworden, dass leicht in Vergessenheit gerät, wie vielfältig die Musikszene in der Autostadt seit [ahrzehnten ist. Da nicht weniger als 23 Soul-, Funk- und Rock-Acts aus Detroit bereits in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurden, haben wir vor dem Soundcheck der Von Bondies im Münchner Atomic Cafe die Gelegenheit genutzt, um mit Jason Stollsteimer und Schlagzeuger Don Blum Musik zu hören und über ihre Heimatstadt zu plaudern.

Kiss Detroit Rock City

(Jason reibt nervös die Hände auf den Oberschenkeln, während das reichlich sinnfrei zusammengestückelte Intro läuft: Geschirr scheppert, ein Motor knattert…)

JASON: Ist das alt? Ich kenne niemanden, der Motor-Detroit „Rock City?

gibt, aber ich hab ihn noch nie gehört. Der Titel hat für viel Verwirrung gesorgt. Frag mal einen Japaner, woher Kiss kommen. Der sagt sofort: Detroit. (Don Blum kommt dazu.)

JASON: Kennst du „Detroit Rock City‘ ? Das geht ganz komisch los. Da passiert fast zwei Minuten gar nichts.

DON: Hat’s dir gefallen? Jason: Ich musste lachen.

Iqgy & The Stooges Raw Power

(Die Gitarren toben.)

JASON: Duspielst mir aber nichts vor, was mich beleidigt, oder? 4h, das kommt darauf an …

JASON (scharf): Wie? Du bist ein kluger Mann, du weißt genau, was mich beleidigen würde. Nun das können wir ja dann vielleicht überspringen, wenn es soweit ist?

Jason: Ja. (lggy kräht los. Die plötzliche Bewölkung, die Jasons Gemüt verfinsterte, istverflogen.) lggy 8t The Stooges? Aber welche Platte?

don: raw power. Wir haben mit denen gespielt.

JASON: Das war unglaublich. Ihre erste Show seit 30 Jahren. Aber den Song haben sie nicht gespielt. Den hab ich noch nie gehört, ich schwör’s. Das schlampige Piano im Hintergrund und der Gitarrenriff erinnern mich ein bisschen an die New York Dolls, auch wenn das eine ganz andere Zeit war. [raw power ist ebenso aus dem Sommer 1973 wie das Debütalbum der New York Dolls; Anm.d.Red.] (Ironisch:) Ist aber sicher total Stooges. Stooges-Fans fassen sich an den Kopf, wenn ich so was sage. Mir egal, ich kenne mich mit Stooges nicht aus. Wenn in einem Club „The Passenger“ läuft, gefallt mir das schon. Das könnte dann aber auch Frank Black sein, wenn du mich fragst.

MC5 Kick Out The Jams

Jason: MC5! Ist das die reguläre Version?

Das Debüt von 1969 war eine Live-Platte.

JASON: Die Gitarren sind so verstimmt- das erinnert mich an uns. Wenn du genau hinhörst: total daneben. Das ist cool. Den Leuten gefällt’s, wenn Zeug so aufgenommen ist. Dafür ist Detroit bekannt. So eine Energie könnte man im Studio gar nicht einfangen.

DON: Ich hab Videos von ihren Konzerten gesehen, da haben die synchrone Fußkicks gemacht.

JASON: Und zwar richtig schnell – wie Line-Dancing. Ich hab aber keine einzige MC5-Platte. Ich hab noch nie das ganze Lied gehört, immer nur den Anfang.

Sind MCs noch immer einflussreich ?

Jason: Wahrscheinlich schon. Auf der ganzen Welt gibt es ja solche Bands: The Hives, The Go … Ups! Schon aus! Die meisten Songs aus Detroit sind unter drei Minuten lang – das ist Fakt.

Eminem Rabbit Run

Jason: Adult.? Richie Hawrin? Eminem! Welches Album?THE EMINEM SHOW?

Der letzte Song auf dem Soundtrack zu „8 Mile“.

JASON: Super Film, haben wir im Tourbus. Ich mag Eminem. Das ist bisher mein Lieblingslied. Seine Storys sind so bildlich, so lebendig. Man fühlt mit.

DON: Und er nimmt sich selbst auf den Arm, das hat man auch selten genug.

JASON: Er schreibt eingängige Beats, und er benutzt seinen Intellekt. Das gefällt mir. Haha! „Fizzelin’out“, jetzt redet er im Snoop -Slang. Fizzle my chizzle.

don: Ist der in Deutschland erfolgreich?

Jason: Auf der ganzen Welt! Er ist der erfolgreichste Künstler aus New York. Er hat noch ein Haus außerhalb von Detroit, aber wenn ich so erfolgreich wäre, würde ich auch sofort wegziehen. Wenn ich von einer Tour nach Hause komme, hab ich mir verdient, dass schönes Wetter ist – also, wenn ich Eminem wäre. Dann wäre ich längst auf Hawaii.

Brendan Benson What

JASON: Das kenne ich. Aber zuerst dachte ich kurz: Santana! Haha! (Brendan singt los.) Ah! Brendan Benson! Super! Diesen Song hat er auf meiner Hochzeit gespielt. Seine Texte sind toll. Brendan und Eminem benutzen beide sehr starke Bilder. Man kann über viel singen, wenn man in einer Stadt wohnt, in der es nichts gibt. Dann muss man sich alles selbst ausdenken. In L.A. oder New York könnte ich nichts Präzises zu Papier bringen. Ich würde mich verlieren. DON: Naja. In Städten, in denen sich dauernd Dramen abspielen, schreibt man eben über andere Sachen.

JASON: Sicher. Aber trotzdem. Eminem und Brendan Benson – komplett was anderes, und doch gibt es eine Gemeinsamkeit: Beide sind nicht abgelenkt worden, als sie ihre Songs geschrieben haben.

Paruament Flash Light

JASON: George Clinton! Alle Musikaus Detroit klingt völlig unterschiedlich. Das ist gut, denn nicht alles ist (rümpf t die Nase) Garagenrock. Haha! Diese Idioten.

don: Yeah! P-Funk. Äh … Parliafunk?Funkadelic?

Parlament.

jason : Keiner weiß, dass die aus Detroit sind. Das sind die Gottväter des Funk … des Mittleren Westens, haha. don: Clinton hat ein Haus draußen in Irish Hills.

Wohnt eigentlich irgendwer IN Detroit? Ted Nugent lebt außerhalb, Kid Rock wohnt im Wald …

JASON: Ich wohne downtown. Aber warum sollte man in Detroitwohnen-da ist ja nichts. Und vorallem wenig Polizei. Wenn du so berühmt bist…

Gefällt euch Parlament? Hört ihr so was zu Hause ?

JASON: Ich höre keine Musik. Ich würde nie eine CD anmachen, wenn ich heimkomme. Nie. Ich komme einfach nie auf die Idee. Ich koche lieber Essen oder so. Ich liebe Musik, ich hör mir nur keine an. Außer live. Ich bin Live-Fan. Aber nicht von der Band Live.

The Supremes Run, Run, Run

Jason: The Supremes. Die meiste Motown-Musik ist fast nur Percussion. Alles basiert auf einem Handclap oder auf Tamburin. Die Gitarre ist so dermaßen unwichtig. Da ging es nur um Rhythmus. Das könnte ich mir ohne Gesang anhören und wäre voll und ganz zufrieden. Was meinst du, Don?

DON: Sehr cool. Macht mich nostalgisch, obwohl ich da noch gar nicht auf der Welt war.

The Amboy Dukes Journey To The Center Of The Mind

(Beide lauschen still)

JASON: Das ist aber nicht Ted Nugent mit den Amboy Dukes oder so?

Das war nicht einfach.

jason: Ich kenn den sägenden Gitarrensound, der ist so dreckig wie meiner. Das ist „Journey To The Center Of The Mind“, einer der besseren Songs. Die psychedelischen Stimmen sind zu clean. Das versaut mir den Song. Aber ich mag die Amboy Dukes. Die waren in den 6oern immer Vorgruppe für die großen Bands.

Hat Ted Nugent jetzt nicht eine TV-Show?

jason: Er moderiert eine Jagdsendung. Sehr beliebt im Norden. Als Hochzeitsgeschenk hat jemand meiner Frau das Buch „Living With The Nuge“ geschenkt, das Ted Nugents Frau geschrieben hat. Das hat mir zu denken gegeben, haha!

Sogar Kid Rock bezeichnet Ted Nugent als Proleten.

JASON: Wer sich so fürs Jagen einsetzt, muss damit rechnen, als Prolet zu gelten. Aber – guter Gitarrist.

Detroit Cobras You Don t Knock

jason: Die Detroit Cobras – die beste Coverband, die ich je gesehen habe. Das ist R’n’B/Soul-Zeug in Perfektion. Und Rachel und Mari sind zwei toughe Ladys. Die würden dich so dermaßen verprügeln, ohne Scheiß. Rachel hat das früher als Sport betrieben. Die hat’s mit gestandenen Männern aufgenommen.

Alice Cooper Poison

Jason : Was ist das? Ich bin kein so großer Rockfan.

don: Alice Cooper.

jason: Der ist nicht in Detroit geboren. Der ist aus Colorado, stimmts? [Stimmt nicht; Anm.d.Red.] Als Kind dachte ich immer, dass der aus Detroit ist. Meine Mutter hat das geärgert: „Der ist NICHT aus Detroit.“ Alice Cooper, haha! Der hat unglaublich theatralische Shows aufgezogen.

Bob Seger Turn The Page

don: Ha! „Turn The Page“. Da geht’s um das Leben auf Tour, oder? Da geht’s um uns, haha.

jason: Du hättest The Bob Seger System nehmen sollen. Das ist der Seger, den ich mag. Don, erinnerst du dich, wie ich das in London aufgelegt hab, als ich DJ war? Keiner hat gewusst, was das ist, und keiner hat getanzt. Das war super.

Metallica haben das gecovert.

JASON (verächtlich) : Ja. Noch so ein großartiges Kapitel in ihrer Geschichte. Turn the page, bitte. Schnell.

The White Stripes You’re Pretty Good Looking (For A Girl)

(ME ist gewarnt.findet aber erst nach etwa o,/Sekunden die Skip-Taste.) DON:Aaaah!

jason: WEITER!

DON: Hahaha!

Tom Jones Detroit City

don: Das klingt total vertraut. Jason: Vielleicht die Laughing Hyenas?

(Tom Jones schmalzt: „Last night, I went to sleep in Detroit City. 1 dreamed about the cottonfields at home.“)

jason: Wer ist DAS?

Tom Jones.

JASON: WAS? Das hab ich noch nie gehört.

Kam das nie im Radio ?

jason: Nein. Vielleicht weil er singt, dass er weg will. Es gibt mehr Songs über Probleme in Detroit als über schöne Sachen. Das ist beängstigend.