Die 80er


New Wave kills the Supergroup-Star. Der ME zieht mit, sieht den Pop Mitte der 80er jedoch plötzlich in Lethargie verfallen. Wer hilft? Die Supergroup-Stars!

Die 80er Jahre im MUSIKKXPRESS beginnen (wie jedes Jahrzehnt) mit einer Gelegenheit, auf die Rockjournalisten nur so warten: Ei ne Dekade ist vorbei — die beste Gelegenheit für eine Liste der besten Platten dieser Zeit. Zehn Seiten Minimum! Nein? Die Redaktion macht hinter den 70ern einfach nur die Tür zu: eine Seite – 30 Plätze, keine Rangfolge – kein weiterer Kommentar. Der Musikjournalist 1980 listet nicht gerne. Er will erzählen, interviewen, kritisieren und ist neugierig auf das, was kommt. Und es kommt gerade so viel! Während der ME anfangs vor allem noch Popmillionäre wie Fleetwood Mac, Led Zeppelin und Queen aufs Cover nimmt und ein gutes Stück in die 80er hinein seine groß aufgemachten „Special Storys“ über allesamt geschichtsträchüge Bands (King Cnmson, Eagles, Queen), Künstler (Marc Bolan, Randy New man, Patti Smith), Stile und Phänomene (Soul, „Texas Outlaws“) bringt, brodelt esunterderOberf lache. Die Einstellung sog. Supergroups gegenüber wird kritischer.

„Wie viel Stones braucht der Mensch?“ fragt der ME, und er gähnt weithin sichtbar bei der gigantischen „The WalP‘-Liveshow von Pink Floyd. (Keine Angst: er wird KMOTIOKAL HKSCUli trotzdem die Höchstwertung geben und Floyd-Mitglicder bei jeder sich bietenden Gelegenheit interviewen.) Denn es gibt frische Alternativen: Immer mehr interessante New-Wave-Bands, auch aus Deutschland, wo sich der Begriff „Neue Deutsche Welle“ für die kaum zu überblickende Schar von Newcomern schnell etabliert, reihen sich im Themenplan des ME aneinander. Bald schon zieren Ideal, DAF und die Talking Heads die Titelseite. Unter Rubriken wie „Neue Gesichter“ bekommen Bands wie Extrabreit und Palais Schaumburg, ABC und Yazoo ihre ersten Auftritte im ME. Und Anfang 1982 hat Trio-Sänger Stephan Remmler sein Spielzcugkeyboard Casio VL-Tone schon so oft in die Kamera gehalten, dass es Zeit wird, das Instrument ausführlicher vorzustellen – wie auch den Fairlight-Computer, der den Popsound aus England so bombastisch macht. Nicht nur New Wave und NDW drängen ins Heft. Auch mit dem Reggae ist der ME noch nicht fertig (erst im Januar 1987 seh rei bt er: “ Exitus—der Regga e ist tot!“). Interviews mit Bob Marley, Toots und Black Uhuru erlauben Einbl icke i n ein anderes Wertesystem. Auf den Tod von Marley angesprochen, erklärt Peter tosh im ME 7/81: Jandl don’t dealisith dead, 1dealwitb life!“ Da staunt nicht nur der Leser. Und sollte er nicht gerade durch seinen AC/DC-Bruder musiksoziahsiert worden sein, staunt er wohl auch über die neuen britischen Hcavy-Metal-Bands wie Iron Maiden, über die der ME berichtet – bis er das Genre Mitte der 80er weitgehend der neu entstandenen Fachpresse überlässt. Über das Medium des Musikvideos, das im ME wie das gesamte wachsende Feld „Popmusik im TV“ immer wieder diskutiert wird, stoßen die poppigeren Vertreter des New Wave in die Charts vor. Der ME zieht mit. Die Titelstars heißen Billy Idol, Eurythmics, Nena und Culture Club, Autoren gehen „Auf Tour“ mit Depeche Mode, Spandau Ballet und The Cure. Der ME folgt dem Zeitgeist und wird Mitte der 80er „magaziniger“, bunter, zeigt mehr Bilder, versucht einen betont flapsigen Ton anzuschlagen. „Rockstars im Urlaub“ sind zu sehen, „Stars & Cars“ und Madonnas Nacktbilder {„Das Fleisch der frühen Jahre“). Nick Mason testet Kleinwagen, Peter Maffay Motorräder. Immer mehr Artikel beschäftigen sich aber auch mit den Hintergründen des Popgeschäfts. Wer genau hinschaut, kann sich dem Eindruck nicht entziehen, dass dem ME in der zweiten Hälfte der 80er die Themen und Trends knapp werden. Ein Blick in den Plattenteil, und sei es auch nur ein oberflächlicher über die „Platten des Monats“ (die ab 9/81 per Jurywertung bestimmt werden, genau wie heute im „Krieg der Sterne„) dieser Zeit zeigt: Der Pop ist in eine Lethargie verfallen. (Sie stammen z. B. von Udo Lindenberg, James Brown, Simply Red und vielen eher gesichtslosen Acts). Interessante Namen wie The Jesus And Mary Chain, Red Hot Chili Peppers, R.E.M. oder Sugarcubcs tauchen in kleinen Beiträgen und wohlwollenden Kritiken auf. Auch über Hiphop, House, Swing-Beat und das Phänomen des DJs als Musiker informiert der ME. Der Worldmusic-Trend ist nicht uninteressant. Und vielleicht könne Terence Trent D’Arby ja tatsächlich „der neue Prince“ sein. Nein? Es hilft alles nichts. Jetzt müssen die Stars ran! In großen Interviews und Reportagen kommen immer wieder Sting, David Byrne, Bono Vox, Wolfgang Niedecken, Herbert Grönemeyer und Bruce Springsteen zu Wort. Das kommende Jahrzehnt will einfach noch keine Versprechungen machen.