Die kuriose Karriere von Fleetwood Mac


Europas Hallen sind zu groß - Amerikas Stadien zu klein

Da gibt es in Amerika eine Gruppe, die über Nacht in die Riege der absoluten Top-Stars aufgerückt ist. Die dort in diesem Jahr eine einzige Langspielplatte vier Millionen mal verkaufen konnte. Der die größten Fußballarenen zwischen New York und San Francisco zu klein zu werden drohen. Und von der diesseits des Atlantik noch niemand so recht Notiz genommen hat: ihre US-Platin-Platte verkaufte sich in England keine zehntausendmal – von Deutschland ganz zu schweigen. Gut, so etwas , mag es schon mal geben. Aber es wirkt mehr als kurios, wenn die Gruppe „Fleetwood Mac“ heißt und aus England kommt.

Bei der Promotion-Party im Londoner Nobelquartier „Interconti“ tummelten sich hunderte von Journalisten, Produzenten und alten Freunden der Gruppe. Einer der Gäste fiel im Gewühl gar nicht auf: Peter Green (30), Gründungsmitglied der „Fleetwood Mac“ und einer der profiliertesten britischen Songwriter der Fndsechziger Jahre. Wahrend er, der Musik überdrüssig, zwischenzeitlich Tote begrub und heute mehr schlecht als recht von alten Tantiemen sein Leben fristet, hatten zwei seiner Freunde musikalisch durchgehalten, fünf karge Jahre lang. Und waren nun heimgekehrt, amerikanische Superstars auf Stippvisite, die nur rasch die Lage sondieren wollten für ein europäisches „FM“-Revival im Jahre 1977. Peter Green, fettgeworden, stand abseits; ein lebendes Dokument dafür, daß die alte, uns vertraute „FM“ mit der neuen nur noch eins gemein hat: den Namen.

Vom Erfolg zur Dauerkrise

Dabei hatte sich alles so turios angelassen, als auch Clapton-Nachfolger Peter Green im Sommer 1967 bei den „Bluesbreakers“ gefeuert wurde. Zusammen mit dem Gitarristen quittierten Bassist John McVie und Drummer Mick Fleetwood ihre Rekrutenausbildung bei Blues-König John Mayall, um als „Peter Green’s Fleetwood Mac“ erst Electric Blues und dann Hits am Fließband zu produzieren: man erinnert sich an „Albatross“, „Man Of The World“ „Oh Well“. Als auch der Ohrwurm „Green Manalishi“ 1969 die Charts stürmte, mochte der übersensible Green den Star-Rummel nicht mehr mitmachen. Nach drei exzellenten Longplays, (deren dichtestes, „Then Play On“, jetzt in Deutschland wiederveröffentlicht wurde) warf er das Handtuch.

Auf der vierten Langrille, „Kiln House“, profilierte sich an seiner Stelle der zweite Gitarrist der Gruppe: Jeremy Spencer, ein Rock’n’Roll-Freak aut den heute niemand mehr gut zu sprechen ist. „Er konnte spielen, aber er war faul und unkreativ“, bestätigen seine alten Mitstreiter. So war es zwar eine herbe Panne, als er während einer US-Tour 1971 mit einer religiösen Sekte durchbrannte – eine Lücke wie sein Vorgänger hinterließ er nicht.

Die folgenden Jahre glichen einer einzigen Talsohle. In England lief nichts, in den Staaten noch nichts. Fünf Alben verschlissen vier weitere Musiker, zu persönlichen Problemen kam die Hype ihres Ex-Managers, der irgendeine aufgelesene Band als „Fleetwood Mac“ auf Tour schickte – der Fall beschäftigt die Gerichte noch heute.

Der Grundstein für den neuerlichen Sensationserfolg wurde dann im 75er Frühjahr gelegt, als Mick Fleetwood bei einem Studiobesuch iii seiner zweiten Heimat Los Angeles ein Demo-Band hörte. Und das Pärchen einkaufte, das es aufgenommen hatte.

Über ein Jahr in den Charts

„Mich reizte die Idee, statt ausgekochter Profies zwei unverbrauchte Talente in meine Gruppe aufzunehmen“, sagt Mick Fleetwood. Seine Gruppe, das waren zur Zeit nunmehr er und Bassmann McVie sowie dessen Frau Christine Perleet, die Keyboards spielte und die meisten Kompositionen beisteuerte. Die beiden Neulinge waren Lead-Gilarrist Lindsey Buckimgham und Sängerin Stevie Nicks, ein Pop-orientiertes Duo, das den Gruppensound rasch in kommerzielle Bahnen zu lenken verstand. „Trotz noch vorhandener blues-roots: eine sehr geschmackvolle middle-of-theroad Rock’n’Roll Band“, resümierte „Sounds“/England das aktuelle „FM“-Erfolgskonzept.

Doch der Gruppe fielen keine Hits in den Schoß. „Ich hätte mir nicht träumen lassen, wieviel Schufterei mich erwarten würde, als ich bei Mac einstieg“, sagt die zierliche Stevie Nicks, die auf der Bühne eine Vitalität an den Tag legt, die sie rasch zum Live-Mittelpunkt eines jeden Konzerts werden läßt. Mit mehr als hundert solcher Auftritte pushten sie ihr letztes Album mit dem schlichten Titel „Fleetwood Mac“ in die Charts, wo es sich über ein Jahr lang (!) in hervorragenden Positionen hielt. Es warf darüber hinaus drei Single-Hits ab: „Over My Head“, „Rhiannon“ und „Say You Love Me“ – sämtliche Kompositionen der beiden weiblichen Bandmitglieder.

Die Konsequenz: ihr schon im Sommer ’76 fertiggestelltes Album „Rumours“ mußte bis heute zurückgehalten werden, um den kometenhaften LP-Vorläufer nicht vom Chart-Himmel zu holen. „Rumours“, etwas heavier ausgefallen als „Fleetwood Mac“, ist eine Platte mit sinnfälligem Titel. Es hatte über Gebühr lange gedauert, sie zu produzieren: nicht nur, weil eine defekte Studiomaschine fertiges Bandmaterial auffraß, sondern hauptsächlich, weil es in der Gruppe wieder einmal „rumorte . Stevie machte Schluß mit Lindsey, nachdem die beiden Mc „Vies sich kurz zuvor von Tisch und Bett getrennt hatten. „Wenn man jahrelang jede Minute zusammen ist, alles teilt, dann fehlt eines der schönsten Dinge in einer Zweierbeziehung“, erklärt Christine:“Jener ’sweet sorrow trip‘, den man durchlebt, wenn man seinen Partner vermißt.“ Es kam zur Krise, aber nicht zum Knall. Zu hart war der gemeinsame Erfolg erarbeitet, als daß man ihn hätte auf’s Spiel setzen wollen. Ein Erfolg, der nach Überzeugung der Band von Dauer sein wird. Mick Fleetwood:“Was uns von Hype-Stars wie Springsteen unterscheidet, ist die Tatsache, daß wir langsam und ganz aus eigener Kraft ans Ziel gelangt sind. Schaut Euch an, was der vorschnelle Erfolg aus Bruce gemacht hat – uns wird das so rasch nicht passieren.“ Europa im Visier

Jetzt, wo der amerikanische Markt abgekocht ist, lugt man erst einmal nach Europa, das auf den „FM“-Boom jenseites des Atlantik gar nicht reagiert hat. „Alles nur eine Frage der Promotion“, versicherte John McVie. „Wir haben die ganze Zeit nur drüben gearbeitet und gespielt – aber auch das wird jetzt anders. Schließlich dürfte der Name „Fleetwood Mac“ auch in England und auf dem Kontinent noch einen guten Klang haben. Und außerdem ist das Publikum in den letzten Jahren viel internationaler geworden. Was in den Staaten so irrsinnig gut ankommt, kann Europäer unmöglich kalt lassen.“ Was abzuwarten bleibt. Fest steht bislang nur dies: „FM“ hat sich für die Monate März und April angesagt. Kleine Verbeugung für die Altfans, die die Gruppe vor fünf Jahren zum letzten Mal auf deutschen Boden gesehen haben:“Oh Well“ gehört immer noch zum Marschgepäck der „Fleetwood Mac“.