Die Türen im Interview


Die Türen-Sänger Maurice Summen über seine neue Platte POPO, das Verhältnis von Satire und Politik, Sample-Techniken beim Texten und die deutsche Sprache im Pop.

Mit ihrem neuen Album

POPO

haben

Die Türen

den Spagat zwischen klassischen Soul- und Poptraditionen, politischem Kommentar und überkandidelter Satire geschafft. Im Interview erklärt Sänger und Vordenker

Maurice Summen

, wie Die Türen sich zwischen diesen Ecken und Kanten zurechtfinden.

Ihr thematisiert in euren Songs einerseits die Zwänge und die Enge gesellschaftlicher Reglements, andererseits hält sich die neue Platte POPO musikalisch lustvoll an bestimmte sehr alte Genre-Regeln – gehört das zum Spiel mit Form und Inhalt? Maurice Summen:

Für mich ist das Pop. Pop ist immer ein Spiel mit Formen und Inhalten. Immer tauchen die gleichen Fragen auf: Was pack ich da alles rein? Was lasse ich raus? Wann wird es zu viel usw. Dass wir sehr gerne auch auf der Textebene mit Form und Inhalt experimentieren, ist unsere Spezialität.

Ihr verdreht auf POPO Zitate vieler anderer Bands und Künstler – ist das Respektlosigkeit oder Ehrerbietung? Maurice Summen:

Wir bewegen uns mit Hilfe einer musikalischen Landkarte. Die zitierten Künstler oder Bands haben ja auch zitiert. Eine Rolle Rückwärts, aber dargeboten auf modernstem Parkett.

Wie sehr baut ihr darauf, dass der Hörer die Herkunft eurer Anspielungen und Zitate kennt und aus dem Vergleich von Original und Verballhornung ein besseres Textverständnis entwickelt? Maurice Summen:

Wir können darauf nicht bauen. Genauso wenig wie ein HipHop-Beatbastler darauf bauen kann, dass die Menschen die Samples kennt, die er ausgewählt hat. Und trotzdem funktioniert ein guter Beat, auch wenn das Publikum das Original vielleicht nicht kennt. Es liegt eben an seiner Komposition. An seiner Magie. Bei Sprache funktioniert das meiner Meinung nach sehr ähnlich. Auch ohne das Zitier- sternchen, also ohne den Urheber zu kennen, funktioniert ein Satz. Wer kennt schon die ganzen Urheber von der Sprache, die man so verwendet? Wer weiß, vielleicht habe ich diesen Satz ja gerade irgendwo geklaut, nur ich behalte das einfach für mich.

Die deutsche Sprache gilt seit jeher als schwierig für Pop-Texte – sind die Werkzeuge des Zitierens, Verballhornens und Ironisch-Brechens unvermeidbar für deutsche Pop-Texte, die einen gewissen intellektuellen Anspruch erheben? Maurice Summen:

Grundsätzlich: Sprache sollte in der Kunst ein Vergnügen sein. Ob ein Text nun amüsant, abstrakt, verrückt oder wie auch immer klingt. Manche Menschen mögen auch sehr schlichte Texte, die vergnügen sich aber auch damit. In der Musik ist es ja dann doch die Kombination: Musik & Text. Man kann teilweise etwas sehr banales sehr groß wirken lassen, oder einen sehr großen Gedanken sehr klein. Nur durch die Instrumentierung, durch die Art des Gesangs usw. Ich finde die deutsche Sprache sehr gut für die Popmusik geeignet, nur leider ist Deutschland eben ein „Pop aus Zweiter Hand“-Land. Man hat von Anfang an fast ausschließlich internationale Vorbilder kopiert. Deswegen fehlt es meiner Meinung nach eher an einer souveränen Pop-Haltung als an den Möglichkeiten irgendeiner Sprachkultur. Dass man überhaupt noch über ironische Brechungen sprechen muss in einem Königreich, das von einer Band wie den Beatles „gegründet“ wurde, finde ich absurd.

Wie kam der ehemalige Blumfeld-Keyboarder Michael Mühlhaus zu den Türen? Maurice Summen:

Über den Blumfeld-Manager Oliver Frank und den Booker Wieland Kramer. Beide haben uns Michael Mühlhaus als Keyboarder vorgeschlagen. Wir haben uns getroffen und seitdem arbeiten wir zusammen. Ziemlich unspektakulär, aber umso spektakulärer in seinen Resultaten.

Wie definiert ihr für die neue Platte POPO das Verhältnis von Humor und Politik? Maurice Summen:

Das steht in einem ähnlichen Verhältnis wie Satire und Politik. Ich kann teilweise keinen Unterschied mehr erkennen zwischen einem Spiegeltitelbild und einem Titanic- cover. Nur die Logos machen mir oft klar, „wie es gemeint ist“. Die Grenzen verschwimmen. Und viele Reden sind ja auch eine Farce. Nehmen wir z.B. die Kultrede von Edmund Stoiber zum Transrapid in München. Da kann Helge Schneider doch einpacken. Wenn uns das Leben vorkommt wie eine Realsatire, und das tut es mitunter, dann lassen wir das in die Texte einfließen. In jedem Amtsformular steckt ein bisschen was von Eddys Rede. Ich muss nur das Radio anmachen und ich frage mich: Meinen die das ernst? Das kann doch gar nicht sein.

Neben den Türen betreibt ihr noch das Label Staatsakt – wovon lebt man heute als Indielabel-Betreiber und Musiker? Maurice Summen:

Kreuz und quer. Wir leben in guten Zeiten von der Musik. In den weniger guten Zeiten texten wir oder kellnern oder legen Platten auf oder telefonieren im Call-Center, oder was man eben so macht fernab der 9to5-Festangestellten- welt. Wenn gar nichts geht, gehen wir zum Arbeitsamt: „Suche Stelle in einer Band wie die Türen.“

Mehr über Die Türen im aktuellen MUSIKEXPRESS.

Mehr über Die Türen im aktuellen MUSIKEXPRESS.

Michael Wopperer – 29.11.2007

Die Türen gibt es bei