Die wilden Groupies von Hollywood


Während die Superband auf der Bühne das Letzte gab, ging Andy, der Manager der Vorgruppe, im kahlen, weißgetünchten Umkleideraum unruhig auf und ab. „Braucht ihr noch was?“ fragte der Bursche, der für den Veranstalter arbeitete. Andy spielte nachdenklich mit der halbleeren Bierdose und zählte leise. Dann sagte er beiläufig: „Wir brauchen noch sieben Girls. Sechs für die zwei Bands, eines für mich.“

Was Andy, der Lässige, zu dieser Zeit noch nicht wußte: Einer von der Superband – sie hieß Emerson, Lake & Palmer – hatte bereits eine Verabredung. Sie war groß, schön, dunkelhaarig. Sie war bei jedem wichtigen Popkonzert dabei. Hinter der Bühne, versteht sich. Sie saß gewöhnlich bereits in der Künstlergarderobe, während Journalisten und manchmal sogar die Musiker noch versuchten, die Absperrung des Ordnungspersonals zu durchbrechen. Wie sie das machte, wird sie keinem Mädchen mehr verraten. Denn an diesem Nachmittag passierte es. Auf der Pressekonferenz wie sie da ungebeten hineinkam, ist ihr Betriebsgeheimnis – zog die Schöne Greg Lake in ein Gespräch. Ein Jahr später waren die beiden verheiratet.

Die Geschichte ist wahr, sie spielte in Düsseldorf, und sie passiert so selten, daß die wenigen gleichgelagerten Fälle immer wieder zitiert werden.

Denn kaum einem dieser unternehmungslustigen Mädchen gelingt es wirklich, einen Rockstar abzuschleppen. Zum Traualtar noch seltener. Außerdem: Groupies sind in Deutschland rar. Mit Recht klagen viele ausländische Popstars, daß ihnen hier so ungenügend der Hof gemacht wird. Für Roxy Music und die Rolling Stones wurden sogar extra Mädchen von einer Modellagentur angemietet. Sie sollten bei Pressepartys in Hamburg und München den Stars Dampf unterm Hintern machen. Ohne daß die Jungs den Schwindel merken, versteht sich!

-Amerika, das Land der unzählbaren Groupies-

Wie man sieht, kann man in Deutschland wirklich kaum den richtigen Einblick in das Groupie-Wesen bekommen. Denn das entfaltet sich nur in den USA und unvergleichlich in Hollywood zu seiner ganzen Pracht. Viele Stars, die es wissen müssen, sprechen allerdings von einem alptraumhaften Groupie-Unwesen, das selbst die Nerven der Kaltblütigsten zerrüttet.

Groupies in Hollywood, da kriegen nicht nur Robert Plant und Eric Burdon Schreikrämpfe. Andere Stars haben allerdings längst gelernt, mit den Groupies zu leben. Die bekanntesten heißen Alice Cooper, David Bowie, Jimmy Page, Iggy Pop, Keith Moon, Elton John, Gary Glitter, Roxy Music, Suzi Quatro. Jawohl, auch Damen stehen im Mittelpunkt der Verehrung.

Rodney packt aus

Zuerst wollen wir mal ein paar Spezialisten zu Wort kommen lassen. Da ist Rodney Bingenheimer. Er sieht aus wie dreißig, ist aber ein paar Jahre jünger. In Hollywood wird man schnell alt, vor allem im Licht der Neonreklamen und der Nachtclubs. Rodney hat 1972 die berühmteste Groupie-Diskothek von ganz Amerika eingerichtet. Sie heißt „Rodney Bingenheimer’s English Disco“ und liegt am Sunset Boulevard in Hollywood.

„In jedem amerikanischen Popfan steckt ein Groupie“, sagt Rodney einfach. „Was glaubst Du, wo sonst die Millionen wild entschlossener Groupies herkommen? Meine Disco ist für sie der Treffpunkt. Hier können sie ihren Stars auflauern, versuchen, sie aufs Kreuz zu legen. Wenn’s nicht klappt, legen sie sich gegenseitig um. Die Stars wiederum kommen, weil sie meine Freunde sind. Hier können sie Hof halten und die schönsten von diesen wahnsinnigen Kids aufgreifen. Darauf warten die alle. Sie würden auch zu zehn Mann mit den Stars ins Bett gehen.“ Sobald Rodney weiß, welcher Popstar im Laufe des Abends eintrudelt, macht er marktschreierische Durchsagen. Die Stars werden dann auf einen abgesperrten, erhöhten Platz geführt, von wo aus sie unbeschadet die Huldigungen ihrer Anhänger entgegennehmen können. Denn ein Star ist in Amerika nie ganz sicher, daß ihm nicht die Kleider vom Leibe oder die Haare vom Schädel gerissen werden. Das kann selbst auf offener Straße passieren. Auch deshalb haben viele einen Leibwächter und halten ihre Privatadressen streng geheim.

Ein Abend im Groupie Club

Samstagabend ist der wichtigste Tag im Fahrplan von Rodney Bingenheimer. Mit seinen Stammgästen muß er immer überraschend rechnen. Sie heißen Iggy Pop, Keith Moon, Kim FowIey (ein millionenschwerer Hitschreiber), Shaun Cassidy (der kleine Bruder von David), Linda Blair (die aus dem „Exorcist‘) und Michael de Barres (ex-Silverhead). Heute sind auch die New York Dolls da und Michael Chapman (der mit seinem Kollegen Chinn viele Sweet- und Suzi Ouatro-Hits schrieb).

Heute haben sich die jungen Leute aus den „Valleys“, den vornehmen Seitentälern von Los Angeles, herausgeputzt. Sie kommen im Straßenkreuzer ihrer Eltern oder im eigenen. (Dazu müssen sie allerdings schon 16 sein.) Viele haben sich fast eine Stunde lang durch den zähflüssigen Verkehr der abgasreichen Millionenstadt hindurchgearbeitet. Das Ziel: der kilometerlange Sunset Boulevard, die Barackenstraße, an der die ungemütlichen Büros der Showmetropole und die provinziell wirkenden Nachtclubs liefen.

Um nur ein paar zu nennen; „Whisky A Go Go“, „Troubadour“, „Rainbow“, „Starwood“ und die Bar des „Continental Hyatt Hotels“. Mehr über diese Etablissements, in denen man die Stars der Welt trifft, später.

Chuckie, der heißeste Typ der USA

Bei Rodney Bingenheirner tanzen bereits die ersten aufgedonnerten Freaks zu den heißen Scheiben, die gerade „in“ sind. Rodney: „Ich stehe auf knallharten Amis und den Engländern. Suzi Ouatro, Deep Purple und so. Das ist bei uns an der Westküste ganz, was Ausgeflipptes.“ Wie heißen denn Deine schärfsten Groupies? Rodney prüft kurz, sein Raritätenkabinett. „He, Glück gehabt, heute Abend kannst Du die heißesten Typen von ganz Amerika besichtigen.“ Der Magier winkt lässig mit der Hand, und da kommt er auch schon angetrabt: Amerikas Boy-Groupie Nr. 1. Einen Tusch für Chuckie Starr!!! Übrigens, die überzeugten (Groupies heißen mit Nachnamen alle Starr. Ob das wohl an Ringo liegt? Und auch Sable Starr, Amerikas Girl-Groupie Nr. 1, ist vorhanden. Unnahbar, überlegen schreitet sie die Front ihrer Verehrerinnen ab. Ja, auch ein Stargroupie hat seine Fans. Nämlich die kleinen Nachwuchsgroupies, die ihr alle Tricks abluchsen wollen.

„Hallooo“, flötet Chuckic geziert. Er ist gerade auf dem David Bowie-Trip. Man beachte seine orangeroten Borsten. Dazu ein leicht verschmutztes und ausgebeultes Leibchen aus Silberlame. Hotpants und Silberlamctta-Strümpie, die mit Straps gehalten werden. Manchmal trägt Chuckie auch seine 560,DM-teuren Silberstiefel. Die Absätze sind sage und schreibe 30 Zentimeter hoch!

Dabei sein ist alles

„Ich habe mit sechs angefangen“, sagt Chuckie. „Mein Vater besitzt eine Kette von Fahrradgeschäften. Unser Nachbar hieß Al Burdon, er hat die „Teenage Fair“ in Hollywood eingerichtet. Mit den Stars, die bei ihm verkehrten, bin ich damals schon in die teuersten Nachtclubs eingefallen. Da lernte ich die Monkees, Herman’s Hermits, Jimi Hendrix und andere Poptypen kennen.“ Jetzt ist der Fan mit dem verbrauchten, leicht pickeligen Gesicht 18. Seit Lebenswandel ist ruinös. „Tagsüber gehe ich zur Schauspielschule. Und abends renne ich den Stars hinterher. Ich habe großen Erfolg. Viele Zeitungen berichten darüber. Gerade war ich auch wieder im lernsehen, in der „Tomorrow Show“, zusammen mit Sable Starr.“

Was sind denn Deine Pflichten als amtierendes Männergroupie? „Na, Du mußt jede Woche in allen wichtigen Magazinen drin sein, möglichst ein Foto, wo Du mit einem Star drauf bist. Wie gerade in „Newsweek“. Die schrieben: „Chuckie Starr, das berühmte Männergroupie, wurde im vornehmen Beverly Wilshire Hotel mit Mick Jagger gesehen.‘ „Und Du mußt bei allen wichtigen Partys dabeisein. Da hatte ich anfangs große Schwierigkeiten. Bei Led Zeppelin und David Bowie habe ich mich anfangs einfach vor die Tür der Partyräume gestellt und wie am Spieß geschrien: „laßt mich rein“. Die fanden das originell.

Einmal wollte ich Jimmy Page besuchen. Ich wußte, daß ich es nie durch die Absperrung der Leibwächter schaffen würde. Da habe ich dem Kellner 20 Dollar gegeben, mich in seinem Servierwagen verkrochen, und im Zimmer bin ich dann mit einem Tarzanschrei rausgesprungen. Während Jimmy Page gerade in Ohnmacht fallen wollte, schrie ich: „Warte einen Moment, ich muß vorher unbedingt noch ein Autogramm haben. Ich bin verrückt nach Dir.“

„Aber dann hatten wir viel Spaß. Jimmy fuhr sein Motorrad direkt ins Continental Hyatt Hotel, durch die Glasscheibe in die Halle. Hach, wie herrlich das gesplittert hat.“ Und während Chuckie noch dem Klirren der Scherben nachhängt, ein paar Worte zum Hyatt House. Dieses Hotel, weder besonders teuer noch besonders luxuriös, ist in ganz Amerika berüchtigt.

Orgien im Hyatt House

Hier spielen sich die haarsträubendsten Skandale ab. Nachts ist es der Treffpunkt der Groupies und ihrer Stars. Denn in diesem Hotel wohnen fast nur Popstars. Im Restaurant sitzen sie einträchtig beieinander, bevor sie zu Fernsehaufnahmen oder zu Konzerten abziehen. Und in der Bar spielt nachts eine Kapelle, die ständig damit rechnet, daß die Stars sie wegen einer der beliebten Sessions kaltstellt.

Während die Musiker über den Groupiemangel in Deutschland jammern – hier kommen auf jeden Popstar ein Dutzend. Kein Wunder, daß auch die Roadies immer noch ganz hübsche Mädchen abkriegen. Am Empfang des Hotels sitzen immer schon geschulte Kräfte, die Groupies und andere zudringliche Personen entlarven und hinauswerfen. Zum großen Kummer von Chuckie Starr und seinen weiblichen Konkurrenten. Oft genug müssen sie über die Feuerleiter und durch Zimmer von fremden Leuten schleichen. Oder selbst ein Zimmer mieten.

In Hollywood regiert der Wahnsinn

Man ahnt es bereits. Im brutalen, heißen Klima von Hollywood gedeihen am besten die Verrückten, die Tollwütigen. In Hollywood lebt der Mensch von Extremen. Man muß unbedingt zeigen, was man hat, möglichst laut übertreiben. „Wirb oder stirb“, heißt die Devise in der Stadt der Angeber. Und wer es dann „gemacht“ hat, der flüchtet panikartig in die Verschwiegenheit der vornehmen ‚Valleys‘. Denn an die Spur der Erfolgreichen heftet sich sofort eine wild entschlossene Meute von Verfolgern. Sie wollen dabeisein, etwas abkriegen, oder eben nur „in“ sein. „Go where the incrowd is“, sagt man hier.

Und genau dahin gehören die Groupies. Natürlich müssen sie schön oder sonderbar sein. Und nur Leute mit starken Nerven kommen durch. Während ein Groupie seinem Popstar das Blaue vom Himmel herunter schmeichelt, schielt es bereits verstohlen nach einem noch berühmteren Star. Gleichzeitig müssen Konkurrenten verhöhnt und verjagt werden.

Eine ganz schöne Leistung. Die Groupies von Rodney Bingenheimer’s sind ja erst 14 bis 18 Jahre jung. Im Rainbow und im Whisky sind sie schon etwas älter. „Ich gehe dahin“, sagt Kim Fowley, „um über meine Verkaufszahlen zu lügen und eine Puppe aufs Kreuz zu legen. Wie alle anderen.“