Digitalism auf Welttour


200 000 Flugmeilen, 42 Fernflüge und eine knappe Tonne Equipment. Das Hamburger Duo Digitalism, mit Drummer und kompletter Bühnentechnik unterwegs, hat sich zum „world player“ entwickelt. Ihr Tourtagebuch protokolliert die Hatz um den Globus, die Flüchtigkeit der Eindrücke und die Erkenntnis: Überall regiert elektronische Popmusik.

30. Juli, Fuji-Rock-Festival, Naeba-Skigebiet in Japan Für uns eins der interessantesten Festivals der Welt. Auch wenn es dort in den Bergen immer recht heftig regnet; was aber mittlerweile zur Atmosphäre des Fuji Rock gehört. Wir waren vor vier Jahren schon einmal hier und hatten keinen blassen Schimmer, was uns erwarten würde. Jedenfalls sind wir damals ziemlich fertig in Tokio angekommen und machten bei unserem ersten Japan-Aufenthalt direkt eine Lost-in-translation-Erfahrung: Der Fahrer des Festivals konnte kein Wort Englisch und so ging es schweigend immer weiter in die Provinz. Das Ganze findet ja in einem Ski-Resort mitten in den Bergen statt. Drei Tage Elektronik, Jazz, Pop und Indie-Rock mit 130 000 Leuten. In diesem Jahr waren wir als Headliner auf der Dance Stage gebucht und wieder hat es geregnet. Doch pünktlich zu unserem Auftritt riss der Himmel auf. Einige Mädchen hatten sich mit Leuchtstäben bewaffnet, was für eine märchenhafte Atmosphäre sorgte. Später hatten wir noch eine Autogrammstunde und einen Secret-DJ-Gig im Regen, den wir nie vergessen werden.

3. August, Beginn der Hard-Tour, Seattle Sechzehn Auftritte quer durch die Vereinigten Staaten innerhalb von zweieinhalb Wochen mit DJs wie Jack Beats aus England oder Gesaffelstein aus Paris. DJ Destructo, der die Hard-Tour 2007 in Los Angeles erfunden hat, legte auch selber auf. Wir waren eine bunt gemischte Crew auf dem guten, alten Highway-Trip im Tourbus. Wobei die Nightliner dort breiter sind als die in Europa, es gibt also weniger Drängelei und komfortablere Kojen. Die Kollegen vor uns haben immer sehr harten Techno oder Dubstep gespielt, sodass wir unser Standing am Ende hart erkämpfen mussten. Nach dem Finale wurde dann recht diszipliniert abgebaut und aufgeladen; während wir Musiker noch etwas aufgedreht herumgehangen haben. Irgendwann so gegen zwei Uhr fährt der Bus los und alle sind komplett geschafft. Wir sind nie vor Mittag aus den Federn gekommen und plötzlich steht man schon vor dem nächsten Club in der nächsten Stadt. Somit hat sich eine richtige Highway-Romantik nur auf den wenigen wachen Kilometer ergeben, wenn wir mal beim Tankstop auf einen fetten Hamburger angehalten haben.

4. August, Portland Ein sogenanntes All-ages-Konzert, bei dem ein kleiner Junge auf die Bühne kam und Crowdsurfing gemacht hat. Das war richtig cool. In den All-ages-Clubs gibt es abgetrennte Zonen, die Drinking Areas. Hier kommen nur Leute über 21 rein, die ein spezielles Armband haben. Für alle anderen gibt es Wasser und Saft.

5. August, San Francisco Wir haben hauptsächlich in klassischen Rockvenues oder Ballrooms gespielt. Das waren oft legendäre Orte mit großer Historie. All die Indie-Helden von Sonic Youth bis zu den Strokes sind dort schon aufgetreten. Nun bekamen sie mit der Hard-Tour ein Elektro-Paket und viele wussten gar nicht so recht, was sie genau erwartet. Doch unsere Live-Elektronik hatte offensichtlich genau den Nerv getroffen.

6. August, Hard-Festival, Los Angeles In Kalifornien stehen sie auf Dubstep und Extrem-Elektro. Auf dem Hard-Fest in Los Angeles, das mitten im Nichts auf vier großen Hi-Tech-Bühnen stattfindet, waren massenweise Raver mit Klamotten wie auf der Loveparade in den Neunzigern. Eine kleine Zeitreise. Trotzdem sind die Leute offen für neue Sounds und man trifft auf einheimische Kollegen, die schon viel im Land unterwegs waren. Am nächsten Tag mussten wir leider sehr früh wieder in den Bus, um weiter zwei Tage lang nach Arizona zu fahren. In der Nähe von Phoenix hatten wir dann mitten in der Wüste einen Tag frei. Die ganze Truppe ist bei gefühlten 60 Grad Außentemperatur in den Pool gesprungen. Ein überaus spirituelles Erlebnis.

8. August, El Paso Ein ziemlich hartes Publikum, das richtig rocken wollte. Wir ändern zwar nie unsere Songliste nach den äußeren Umständen, doch auf der Bühne haben wir uns von der Stimmung mitreißen lassen.

13. August, World-Electronic-Festival, drei Busstunden von Toronto Ein Hippie-Treffen bei schlechtem Wetter mitten in der Wildnis. Unser Fahrer, der schon gut 20 Stunden gefahren ist, war genervt. Dort angekommen, gab es zwar drei, vier Bühnen und ein paar Fressbuden. Die Leute waren total verstrahlt, manche haben sogar vor den Bühnen gezeltet. Wir konnten dort gar nicht live spielen und haben uns auf ein DJ-Set beschränkt.

14. August, Montreal Montreal hat die europäischste Popkultur in Nordamerika. Dementsprechend gab es ein Mega-Konzert und obendrein einen freien Tag, bei dem wir uns auf die Suche nach der besten „Poutine“ (Pommes, Käse, Gravy Sauce) begeben haben.

20. August, New York Durch die Metropolen der Ostküste ging es zum krönenden Abschluss zum Terminal 5 in die 56th Street. Eine tolle Party. Insgesamt betrachtet gilt noch immer die alte Weisheit, dass man sich die amerikanischen Fans Stadt für Stadt erspielen muss. Bei der letzten US-Tour 2008 kamen etwa im Grogshop in Cleveland/Ohio rund 80 Leute. Beim nächsten Mal waren es schon 200.

Zwischenstopp in Hamburg Inzwischen betrachten wir auch unsere Heimatstadt Hamburg als Reiseziel, wo wir über das Jahr verteilt immer mal für einige Tage hinfliegen.

21. September, Singapur Singapur ist ein Ort voller Kreditkarten und Champagner-Discos. Wir haben allerdings in einem amtlichen Musikclub gespielt, der gerade neu eröffnet hat und direkt am Wasser liegt. Entsprechend euphorisch war das Publikum. Gleich nebenan ragen die drei Hochhäuser der „Marina Bay“ auf, mit einer Penthouse-Zone oben drauf, inklusive Swimming Pools und Barzonen. Nicht der schlechteste Ort für einen Zwischenstopp.

24. September, Melbourne Beginn der Parklife-Festival-Tour mit einem großen, internationalen DJ- und Bühnen-Line-up, wo wir auf der „Kakadu Stage“ inmitten einer tanzenden Riesenmeute gespielt haben. Organisatorisch bedeutete dieses Tourfestival ein straffes Programm. Direkt am nächsten Morgen ging es mit dem Flieger nach Perth und von dort aus weiter zu eine DJ-Gig nach Neuseeland.

29. September, Auckland Unser Flug aus Perth ging über Sydney, was immerhin einen ganzen Tag gedauert hat. Viel von der Stadt mitbekommen haben wir nicht: Nach dem Essen im Hotel ging es in den Club und danach gleich wieder ins Bett.

1. Oktober, Brisbane Brisbane ist das Miami von Australien. In der Nacht haben wir zusammen mit Diplo und Joker den geschlossenen Swimming Pool geentert.

2. Oktober, Sydney Unsere bislang beste Show in Australien. Das Wetter war richtig schlecht, aber wir hatten mal wieder Glück und konnten die Sonne raustreiben.

3. Oktober, Adelaide In Südaustralien dann die letzte Show der Parklife-Tour bei bestem Wetter. Das Publikum rastete komplett aus, und bei der anschließenden Party hat Isi mit dem US-Kollegen Diplo Euro-Trash aufgelegt.

5. Oktober, Osaka Wir sind dann über Nacht geflogen und in Tokio angekommen. Unser erstes Japan-Konzert nach dem Fuji-Rock-Festival. Osaka gilt als die typische Second City, die sich im ewigen Streit mit dem coolen Tokio befindet. Dabei hat Osaka viel zu bieten, die haben dort noch ein extra Wort für Essen. Wir wurden morgens um sechs vom Flughafen in Tokio abgeholt und brauchten in der morgendlichen Rush Hour noch mal zwei Stunden bis zum Bahnhof. Mit dem Shinkansen-Zug ging es weiter nach Osaka, wo wir sofort zu einem Radiointerview mussten. Anschließend weiter zum Soundcheck und nach dem Gig sind wir dann wie tot umgefallen.

6. Oktober, Nagoya Nagoya erinnert uns an Chicken Wings. Der Club, in dem wir gespielt haben, lag im achten Stock in einem Hochhaus, direkt über diversen Instrumenten- und Plattenläden. Ein kleiner und amtlicher Schuppen. Hinterher ging es mit den Veranstaltern zum Essen und es gab einen Wettkampf: Wer kann die meisten „Tepasaki“ (Chicken Wings) essen?

7. Oktober, Tokio Das letzte und größte Japan-Konzert. Von dort aus ging es zu „Don Quijote“, einem Riesenladen in Shibuya, wo man ALLES kaufen kann: Kameras, Socken, Wein, Fahrräder, Dildos oder Halloween-Kostüme. Nach dem Essen haben wir dann auf einer Aftershow-Party aufgelegt. Nach zwei Stunden Schlaf ging es sofort zum Flughafen und weiter in die koreanische Hauptstadt Seoul.

Story & CD „In The Mix Vol. 1“ & Albumkritik ME 7/11