Drivin‘ n‘ Cryin‘


Gitarren-Bands sprießen im Süden der USA aus dem Boden wie einst das Baumwollgras. Doch kaum eine spielt sich so wild durch alle Musiktraditionen wie die Gruppe aus Atlanta. Sanger Kevn Kinney erklärte ME/ Sounds-Mitarbeiterin Martina Wimmer die direkte Verbindung von Hank Williams zum Psychedelic Rock.

Unser neues Album ist all jenen gewidmet, die nie verstehen konnten, wie man Country-Musik und Hardrock gleichzeitig mögen kann. Sowas wie eine Shock-Therapie. “ Belustigt blinzelt Kevn Kinney über den Rand seines Whiskey-Glases. Die Methode hat Erfolg. MYSTERY ROAD, die dritte Drivin‘ n‘ Cryin‘-LP, könnte so manchen spontanen Plattenkäufer für immer davon überzeugen, daß man sich vom ersten Eindruck nicht täuschen lassen sollte.

„Eigentlich wollten wir eine Psychedelic Band werden, aber dann haben wir festgestellt, daß wir eigentlich viel mehr spielen wollen als nur das. Und zwar nicht in einer diffusen Stilmixtur wie Cowpunk oder Folkrock, sondern original, Folk wie eine Folk Band, Heavy Metal wie ein Heavy Metal Band …“

Drivin‘ n’Cryin“ sind nebenbei auch noch verdammt gute Country-Cowboys, Punk-Rocker oder Blues-Barden – alles zu hören auf ihrem neuen Album. Identitätsprobleme haben sie damit keine, auch wenn Freund Joey Ramone ihre „Lagerfeuerromantik“ nicht leiden mag – und Steve Earle sich über den „Gitarrenkrach „beschwert. „Wir machen das, was wir machen, ehrlich. Ich bin mit all diesen Einflüssen groß geworden in diesem Land. Ich könnte nicht nach Kingston gehen und guten Gewissens Reggae spielen, aber ich kann in Nashville Country-Songs spielen, und die Leute verstehen mich.“ Kinney, der 29jährige mit dem Kindergesicht, bezeichnet sich selber schmunzelnd als Romantiker in der Band – „Tim Nielsen (Baß) und Buren Fowler(Gitarre) sind Rocker. Die stehen sogar auf Metallica und Anthrax. „

Kinney will verstanden werden von der Welt, bloßer Lärm ist ihm „zu negativ“. Und so sind seine Texte, die sich oft hinter scheppernden Gitarren verbergen, immer liebevolle Pamphlete für ein besseres Leben. „Wir sind nicht politisch aktiv, wir wollen keine Dogmatiker sein, auch wenn wir unser Bier nicht aus Aludosen trinken. In unseren Liedern geht es um simple Dinge, um Freundschaft und Toleranz. Das wollen wir den Leuten vermitteln, da gibt es schließlich auch noch einiges zu verbessern. „

Mit den Woodstock-Idealen haben sich Drivin‘ n‘ Cryin‘ in ihrer Heimat Atlanta eine eingeschworene Fan-Gemeinde der zweiten Love & Peace-Generation erspielt, trotz der harten Töne, die sie musikalisch bisweilen anschlagen. „Da gibt es Kids, die haben unsere Show bestimmt schon 30 Mal gesehen. Coole, wirklich nette Hippie-Kids. Die tragen jetzt keine Totenköpfe mehr, sondern Tao-Zeichen, lesen Jack Kerouac und hören Neil Young. Ich mag sie, ich habe das ganze Gerede von Rebellion und Zerstörung auch satt.“

Kinney ist ein Romantiker, entwaffnend offen und ehrlich, wie die Musik seiner Band. „Vorzwei Jahren saß ich im Auto, meine Freundin war mir weggelaufen, meine Eltern halten sich getrennt. Ich habe Musik gehört und beim Fahren angefangen zu weinen. Gibt es einen anderen Ort, wo man das tun kann außer im eigenen Auto? Autos sind die letzte Bastion des ehrlichen Gefühls heutzutage. Deshalb habe ich die Band so genannt. „

Seine verträumten Ideen inmitten der Rauhbeinigkeit der drei Bandkollegen – das ist wahrscheinlich die Dynamik, die Drivin‘ n‘ Cryin‘ ausmacht. Der Poet und die Rocker? Die Band zwischen den Stühlen? Kinney grinst: „Hast du schon mal Country-Musik mit einer psychedelischen Light-Show gesehen? Das sieht total cool aus. Und genau das ist Drivin’n Cryin.“