Festival Belehrung & Unterhaltung mit PD, Fehlfarben, Mania D., Der Plan, einer S.YP.H.-Mutation, Vorsprung , Deutsch Amerikanische Freundschaft Berlin, Audimax der FU


Wie nicht anders zu erwarten, war bei diesem Festival im Audimax der Berliner freien Universität die Unterhaltungsfraktion nicht immer mit der Belehrungsfraktion einig. Doch bot diese Auslese aus den derzeit wichtigsten neuen deutschen Bands glücklicherweise wenig Zündstoff für Auseinandersetzungen zwischen Pogo-fanatischen Hardcore Punks und den von ihn verachteten Gehirnakrobaten. Daß PD irgendwann der Saft abgeklemmt wurde und Harry Rag eine Ladung Bier (ohne Becher!) abbekam… nunja, das mag seine Gründe gehabt haben.

Joachim Stender und PD hatten die undankbare Aufgabe, als das einzuspringen, was man bei herkömmlichen Festivals „Anheizer“ nennt. Das avantgardistisch verbrämte atonale Konzept dieser Formation steckte jedoch noch reichlich in den Kinderschuhen, und Stender selbst geriet wohl eher noch zur Karikatur dessen, was ihm eigentlich vorschweben dürfte. Wurde bei PD schließlich konsequent der Stecker herausgezogen, so gab es bei Fehlfarben gleich drei Zugaben. Diese Düsseldorfer Band ist musikalisch und in ihrer Präsenta tion inzwischen an einem Punkt gelandet, an dem es wichtig wird die Bühnentechnik (Mikrophone etc) zu beherrschen. Verglichen mit dem Standart der LP-Produktionen (MONARCHIE UND ALLTAG, vergl. Longplayers) fehlt dem Live-Eindruck noch ein wenig an Atmosphäre, aber nichtsdestotrotz besitzt die Band Stil: als Summe aus intelligenten Texten, verhältnismäßig gestrafften und direkten Songs und der Glaubwürdigkeit ihres Stimm/-Frontmannes Jamie I. (Peter Hein). Mania D, Frauen-Trio aus Berlin, hatten ein Heimspiel bei den einheimischen Avantgardisten. Ihre eigenwillige Verbindung von prägnanten Marsch-Drums oder simpler Beat-Basis mit freien Saxophonpassagen verlangte nach abgedunkelter Bühne, um das Umfeld den tönen anzupassen.

Der Plan hätte ruhig noch ein paar Stücke mehr aufführen können als optisch und auch akustisch wohl originellste Gruppe des Festivals. Der naiv-geniale Charakter ihres Gruppenkonzeptes reicht von den Texten über die elektronische Stimmverfremdung bis hinein in die Präsentation: weiß gekleidete Clowns mit Spitzhüten auf dem Kopf transportieren leichtfüßig eine höchst ironische Art von Humor.

Danach konnte der Auftritt von Harry Rag (g) und am Synthie Ralf Dörper alias Deutschdenck alias Pretty Vacant (wie wahr!) nur zu einer Belastungsprobe werden. Ob diese endlos dröhnige Geräuschkulisse unter der Flagge „S.Y.P.H.“ angeboten wurde, war nicht eindeutig zu ermitteln. Auf jeden Fall rief diese psycho-Wand nicht nur Erinnerungen an die ewig vergangenen und verbannten Zeiten wach, da man Derartiges vollgekifft im Liegen zu konsumieren pflegte. Prompt wandtsich auch ein Bärtiger (ex-Hippie?) in jener typischen Exotik über die Bühne, die zu Zeiten der Bewußtseinserweiterung angesagt war. Die Zuschauer reagierten sauer, zumal die Auftritte der guten Bands im Gegensatz dazu weitaus kürzer waren.

Auf diese Weise strapaziert, registrierte mein Gehirn von den beiden letzten Gruppen einfach nicht mehr genug. Das groteske Spiel eines jeden Festivals: geht man pflichtbewußt schon zur ersten Band, ist man beim sogenannten „Headliner* schon zugeschüttet. Doch soviel sei gesagt: Vorsprung (ehemals Male! und Deutsch Amerikanische Freundschaft vermitteln in ihren Auftritten schon die professionelle Note, die zwangsläufig jeder erreichen wird, der konsequent dabeibleibt und dessen Lernvermögen nicht blockiert ist. So wird aus einer ursprünglichen Minimal-Philosophie eine stufenlose Angleichung an offenere Stukturen.

Unterhalten habe ich mich bei diesem Festival streckenweise ganz gut, gelernt habe ich einiges. Zum Beispiel, daß vor allem diejenigen, die sich am liebsten selbst unterhalten, noch einiges zu lernen haben.