Feuer und Flamme


Während Rammstein mit Rauch zum Renner wurden, feierten Sabrina Setlur und Tic Tac Toe mit frechen Texten und reichlich Sex-Appeal große Charterfolge

Ginge es nach puren Verkaufszahlen, wäre Wolfgang Petry mit seinem Breitwanderfolg „Nie Genug“ zweifellos der Gewinner des Jahres – zumindest unter den deutschen Künstlern. Denn die Hiesigen haben sich in den letzten zwölf Monaten wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Die alte Garde um BAP, Grönemeyer und Westernhagen glänzte vor allem durch kreative Lethargie (einzig Udo Lindenberg als Orchesterleiter überraschte mit Neuem). Derweil erlebten jüngere Bands wie zum Beispiel Fool’s Garden empfindliche Einbrüche. Aktivposten wie die Ärzte und die Fantastischen 4 tauchten nur kurz bei großen Festivals wie „Rock am Ring“ bzw. „Blindman’s Ball“ auf und erholten sich ansonsten vom Streß der letzten Jahre. Den Ärzten allerdings wurde ob ihres erfolgreichen Schaffens eine Huldigung seitens ihrer Mitbewerber dargebracht. Das Ergebnis, die Doppel-CD „GötterDÄmmerung“, ein Album mit 33 Neuninterpretationen bewährter OP-Standards, wurde bei einer Party in Hamburg kräftig begossen. Bei den Fantastischen 4 brach überdies das Solistenfieber aus. Thomas D. lieferte mit „Solo“ den Auftakt zu weiteren Alleingängen. Im Frühjahr folgt Michi Beck.Titel und Sound sind bislang noch unbekannt. Doch ähnlich wie bei Thomas D. ist auch hier nicht mit radikalen Abweichungen vom gruppendynamischen Schaffen zu rechnen. Selbiges gilt auch für die neue deutsche Powerfrau Sabrina Setlur und ihren Rödelheim-tyischen Sound, der sich von Sabrinas erstem Projekt! Schwester S. nur geringfügig unterscheidet. Das Ganze als „neue S-Klasse“ zu vermarkten, war insofern besonders frech. Trotzdem: Setlur tut gut daran, sich von Moses P. die passenden Beats auf den zierlichen Leib schneidern zu lassen. Derweil fiel TicTacToe im zurückliegenden Jahr die Rolle der deutschen Spiee Girls zu. Perfekt verkörperten Ricky, Lee und Jazzy eine runde Mischung aus Sex-Appeal,frecher Schnute und mediengerechten Skandälchen. Die Musik rückte dabei manches Mal in den Hintergrund – als Transportmittel einer ach so rebellischen Message: Nieder mit gesellschaftlichen Konventionen, täglicher Langeweile und stereotypen MachomanierenlEin Ansatz, den TTT allerdings mit viel Witz und ansprechenden Video-Clips unters Volk brachten. Im Bereich des Rock dominierten 1997 die Rauchbomben vom Rammstein. Ihnen gelang, was noch kurz zuvor in diesem Ausmaß kaum jemand für möglich gehalten hatte: mit metallischen Gitarren und manischem Sprechgesang Millionen zu begeistern. Aber über Geschmack läßt sich auch im Fall von Rammstein nicht streiten. Rundum angenehm dagegen fiel der Freundeskreis auf. So geriet seine „Quadratur des Kreises“ 1997 zu einer der wenigen wirklich originellen Pop-Produktionen.