Fine Young Cannibals


Für Leroy, den Schwarzmarkthändler, beginnt der Abend nicht sehr schön. Neneh Cherry ist erkrankt; für sie springen die Rumpelstilzchen-Rapper De La Soul ein. Das bringt keinen Hunderter pro Karte, schimpft er, selbst wenn die Fine Young Cannibals die Hauptattraktion des Abends sind. Mit abgebrühter Todesverachtung schlürft der Schwarze mit den pfundschweren Goldketten um den Hals durch unschlüssig herumlungernde weiße Fans und zischt mit abgebrühter Todesverachtung „40 bucks“ durch die gelichtete Zahnreihe. Das sind die Falltüren des Kapitalismus.

Dessen treueste Anbeter füllen derweil das rund 2800 Plätze fassende Beacon Theatre, als habe der Rattenfänger von Hameln sein Jagdrevier in die Yuppie-Enklaven auf Manhattans Upper West Side verlegt. Die Fine Young Cannibals muß man eben gesehen haben, will man auf der nächsten Party mitreden.

Sie haben ja auch einen würdigen Stammbaum. Leadsänger Roland Gift (28) ließ sich von der englischen Punkszene der späten 70er Jahre inspirieren. Gitarrist Andy Cox (33) und Bassist David Steele (29) waren Mitglieder von English Beat, einer der interessantesten Bands der frühen 80er Jahre, die sich einer intelligenten Mischung aus Pop, Punk und jamaikanischem Ska verschrieben hatte. Alle diese Elemente verschmelzen auf THE RAW AND THE COOKED, der zweiten LP der Cannibals zu einer spannenden Synthese aus New-Wave-Tanzrhythmen und modernem Rhythm & Blues.

So versprach immerhin Johnny Come Home“, der Eröffnungssong, den Roland Gift voll nervöser Energie und mit der Aggressivität des jungen Otis Redding vortrug, noch einen aufregenden Abend. Doch danach folgte eine knapp 70 Minuten lange Rutschpartie mit musikalischen Schwimmwesten: Routine ersetzte Risiko. Professionalität unterdrückte Spontaneität. Smokey Robinsons „My Girl“ beispielsweise, der wohl beste Lovesong, der je geschrieben wurde, geriet in der Interpretation von Roland Gift – a capella mit den sechs Backgroundsängerinnen der Formation Mint Juleps – zum Frontbericht aus einer armen Yuppie-Seele, schöne Nostalgie ohne echten Schmerz.

Dennoch ließ sich das alles gut anhören, denn immerhin zeigen die FYC ein sicheres Gespür für die richtigen Zutaten eines guten Popsongs, und sie haben keine Hemmungen, sich nur der besten Zutaten zu bedienen: rhythmischer Motown-Sound für „Good Thing“, fetzender Gitarrenpop bei „Don’t Look Back“ oder die schwermütig gesungene, von kräftigen karibischen Klängen untermalte Cover-Version von „Ever Fallen In Love“, des elf Jahre alten Klassikers der Buzzcocks. Und wäre Elvis noch am Leben, er würde den Cannibals angesichts ihrer Version von „Suspicious Minds“ auf die Schulter klopfen.