Fliehendes Reh, fliehendes Leben


Er hatte nur noch ein paar Jahre vor sich, und wenn man Porträts von Johnny Cash aus den mittleren und späteren 90er-Jahren betrachtet, glaubt man zu sehen, dass er das wusste – und es ihm genauso egal war wie der größte Teil des Geweses, das die Menschenbrut des Planeten Erde um sich und ihr Gewese macht. Das Bild, das wir aus den „American Years“ (so benannt nach dem Label, auf dem sein beeindruckendes Spätwerk erschien) von Johnny Cash haben, verdanken wir vor allem einem Mann: Andy Earl, der die Covers für AMERICAN RECORDINGS und UNCHAINED fotografierte. Für das zweite der AMERICAN-Alben traf er den großen alten Mann der US-amerikanischen Musik im August 1996 in Hendersonville, Tennessee.

Der Fotograf war schockiert, wie sehr Cash gealtert war, gebrechlich und mit schlohweißem Haar führte er ihn auf seinem Bauernhof herum, wirkte aber entspannt, gut gelaunt und mit sich im Reinen. Das Foto von Johnny Cash am Steuer seines Autos hinter seiner Farm mit Reh im Blick entstand ebenso zufällig wie alle Aufnahmen an diesem Tag, aber so ist es in der Fotografie ja meist: Der Zufall sorgt für die besten Allegorien und Symboliken. Die Aufnahme ist dem Band „Johnny Cash – Photographs“ von Andy Earl entnommen, soeben erschienen im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf.