Fugees


Diese Tour könnte die Wende für die HipHop-Kultur bedeuten“, orakelte Chuck D (Public Enemy), angesprochen auf die bevorstehende Smokin‘ Grooves-Tour von Busta Rhymes, A Tribe Called Quest, Fugees und einigen mehr. Meint: Wenn die insgesamt 34 Termine in den USA ohne Zwischenfälle über die Bühne gehen, dann könnte HipHop endlich zurückkehren in die großen Stadien, zurück zum Ursprung und zu Liveauftritten vor großem Publikum. Eine Entwicklung, die begrüßenswert wäre. Denn seit bei der ’86er Show von Run DMC in der Long Beach Arena 40 Zuschauer teils schwer verletzt wurden, spätestens aber seit der ’88er Long Island Coliseum Rapshow, bei der ein Fan erstochen wurde, sind HipHop- und Rap-Acts aus großen Hallen und Arenen nahezu verbannt. Keine Konzertagentur wollte sich den Ärger (und die immensen Versicherungssummen) mit wildgewordenen Gangstas und ihren Fans aufhalsen. Doch ‚Smokin‘ Grooves‘ soll alles ändern.

Straff organisiert, bot das Spektakel das derzeit exklusivste Line-Up der HipHop-Szene. Trotz des Staraufgebotes war die Show im Universal Amphitheater jedoch nicht ausverkauft. Gerade mal 5.000 flätzten sich auf Rängen und Tanzfläche – Zeichen dafür, daß 35 Dollar für ein Ticket vielleicht doch zu viel für die Fans sind. Einzige Reminiszenz an die Gewaltparanoia der Veranstalter waren die sechs Metaldetektoren, durch die die Massen geschleust wurden, und ein – Gott sei’s gedankt – nicht allzu gründliches Abtasten durch Security Guards.

Gott sei’s gedankt deshalb, weil es so fast jedem gelang, wertvolle Rauchwaren ins Innere zu schmuggeln. Denn außer der Liebe zur Musik verband das Auditorium eine weitere Gemeinsamkeit: Ein gesundes Interesse an Maria Huana. (‚Smokin‘ Groves’… zwinker, zwinker… get it??). Und wat wurde gekifft! Dem anfänglich etwas befremdeten Zuschauer gelang es schnell, sich auf die gleiche Wellenlänge einzurauchen. Sensa Millia läßt einen selbst Schreihals Busta Rhymes lieben und einen A Tribe Called Quest-Auftritt als Aural-Orgasmus erleben: schöne, frühe Hits, von ‚Can I Kick It?‘ bis hin zu ‚Award Tour‘, Bass, Bass, Bass und keine Pausen dazwischen – mein Ohr ist schon wieder steif.

Dann die Impotenzia in Form der Fugees. Okay. Sie sind die einzigen, die derzeit einen Top-Ten-Hit in den Charts haben, aber live sind sie eine rechte Enttäuschung. Das fängt damit an, daß Wyclef auf seiner Les Paul die Bürgerrechtler-Ode ‚Lift Every Voice & Sing‘ anstimmt. Mit den Zähnen gezupft! Es ehrt die Fugees, daß sie ohne DAT-Recorder auskommen, statt dessen einen Bassisten, einen Drummer und einen DJ beschäftigen. Aber jemand, der schon im traditionellen Umgang mit einer Gitarre nur zweifelhaftes Können beweist, sollte das Instrument vielleicht nicht zum Mund, sondern in sein Rektum führen. Nach diesem politisch überkorrekten, aber saublöden Start kündigte Wyclef einen „Ausflug durch die Geschichte des Hip Hop“ an, und wirklich, wie schön, da hören wir Klänge der frühen Run DMC, von Marvin Gaye und Schooly D. Doch gerade dann, wenn man den Hintern im richtigen Rhythmus wiegte, unterbrachen die Fugees. Nicht, um irgendetwas besseres/wichtigeres/interessanteres zu bieten, sondern um entweder a) überlange Pausen gefüllt mit Schweigen, oder b) überlange Pausen gefüllt mit dummem Gequatsche einzulegen. Als Königin der Dummschwätzer erwies sich dabei Sängerin Lauryn Hill, in peinliche Armeehosen gehüllt, die gar nicht oft genug betonen konnte, daß sie „die einzige Frau“ im Line-Up sei, daß ihre Band die Fugees seien, und daß sie eine Platte, ‚The Score‘, in den Geschäften hätten. Fakten, Fakten, Fakten, die der Gitarre gleich hinterhergeschoben werden dürften. Ja, sie spielten dann auch ‚Killing Me Softly‘, sie spielten ‚Fu-Gee-La‘, sogar: ‚Nappy Heads‘ von ihrem Debüt ‚Blunted On Reality‘, und Wyclef quengelte Bob Marleys ‚No Woman, No Cry‘. Bei ‚Killing Me Softly‘ und ‚No Woman…‘ flackerten sogar die Feuerzeuge auf, aber der grandiose Groove, der bei A Tribe Called Quest durch die Reihen gegangen war, kam nicht mehr auf – zu ermüdend war das ständige Auf- und Abgegeile durch die Fugees. Irgendwann wollte man endlich zur Sache kommen. Oder Hand anlegen. Aber keins von beidem war möglich. ‚Smokin‘ Grooves‘ war ein Teilerfolg. Es gab keine Verletzten, es blieben keine Leichen zurück. Aber die von Chuck D vorausgesagte „Wende für die Hip-Hop-Kultur“ war das sicher nicht.