Geläutert durch ihre Heirat und die Geburt ihrer Tochter kehrt Suzanne Vega als neuer Mensch ins Rampenlicht zurück


Die Atmosphäre im „Holländischen Zimmer“ des „Atlantic‘-Hotels in Hamburg ist gedrückt. Die Luft ist heiß und stickig, das Licht kämpft sich mühsam durch vorhangverhüllte Fensterscheibchen, und die schweren Holzmöbel wirken nicht gerade anheimelnd. Am Morgen erst hat ein Hotelbediensteter zwei Deckenfluter installiert. Zwecklos. Das Kunstlicht macht den Raum auch nicht unbedingt freundlicher. Das einzig freundliche ist die Frau, die an einem überdimensionierten Tisch in der Mitte des Zimmers sitzt. Suzanne Vega ist bester Laune.

Vier Jahre ist es her, daß die Dame mit dem Hang zu dunklen Themen die Musikwelt zum letzten Mal mit einem Album beglückte. Was hat Suzanne Vega in der Zwischenzeit getrieben — außer ihren Produzenten Mitchell Froom zu ehelichen und die gemeinsame Tochter Ruby auf die Welt zu bringen? „Ist das noch nicht genug?“, lacht die 37jährige über ihr frisch vom Make-up-Artist gestyltes Gesicht. „Wenn Du ein Kind hast, bist Du ständig wie ein Wirbelwind unterwegs, mußt es füttern, waschen, anziehen und darauf aufpassen… und das den lieben langen Tag. Außerdem habe ich meinen Plattenvertrag neu verhandelt und das Dach meines Hauses repariert. Anschließend habe ich Songs für mein neues Album geschrieben und dann waren wir fast ein Jahr lang im Studio. Ich war wirklich sehr beschäftigt in der Zwischenzeit.“

Keine Frage. Vor allem aber war Suzanne Vega damit beschäftigt, ihrem Leben neue Inhalte zu geben. „Seit ich zwölf Jahre alt war, hatte ich den Wunsch, als Künstlerin ernstgenommen zu werden. Und so war eben auch alles, auf das ich jemals fixiert war, meine Karriere. Aber in dem Augenblick, in dem meine Tochter geboren wurde, hat sich der Mittelpunkt meines Lebens total verschoben. Meine Kunst ist immer noch wichtig für meine Identität. Aber ich weiß auch, daß sie nicht mehr das einzige in meinem Leben ist. Die Musik ist nur noch ein Teil meines Lebens.“

Die andere große Veränderung im Leben der Sängerin war die Heirat mit ihrem Produzenten Mitchell Froom. Suzanne Vega, die sich in ihren Songs stets für die Schwachen stark gemacht hat, die als Vorreiterin einer neuen Generation singender Frauen selbstbewußt und mit intelligenten Texten in einer männerdominierten Branche ihre Frau gestanden hat, als Heimchen am Herd? Kaum vorstellbar. Aber doch. „In gewisser Weise war das sehr schwierig für mich. Obwohl ich ja den festen Entschluß gefaßt hatte, heiraten zu wollen, bin ich nie auf die Idee gekommen, daß ich danach eine Ehefrau sein würde“, sagt Suzanne Vega und grinst dabei übers ganze Gesicht. „Mitchell kam um 18 Uhr nach Hause und fragte eine Zeitlang, ‚Wo ist mein Essen?‘ Kurzzeitig habe ich auch für ihn gekocht, aber irgendwann habe ich ihn angeschaut und gesagt: Du mußt verrückt sein. Jetzt haben wir eine Köchin eingestellt.“ Ein weiser Entschluß. So bleibt das Bild von der „starken Frau“, das die Verga von sich zeichnet, wenigstens im Rahmen. „Ich bewundere Frauen, die sich selber als Ikone darstellen“, erklärt sie denn auch. „Frauen wie Patti Smith. Sie hat ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht, ein Gesicht voller Charakter. Du siehst sie an und sie sieht immer aus wie Patti Smith, egal ob sie ein Kleid trägt oder Hosen, ob sie dies tut oder das. Ich dagegen habe überhaupt kein bestimmtes optisches Image. Ungeschminkt sehe ich aus wie die liebe Cousine von nebenan.“

Umso stärker kommt das Image der Vega auf ihren Plattencovers herüber. „Stimmt. Aber das war nicht immer so. Doch ich genieße immer mehr den Aspekt, mich als Image, als Frau zu präsentieren. All das war am Anfang sehr schwierig für mich. Für mein erstes Album-Cover hat mir der Hairstylist die Haare eingedreht, die Make-up-Dame hat mich mit Schminke vollgeschmiert und ich lachte fröhlich für das Bild. Ich habe ausgesehen wie eine Nachrichtensprecherin, eben wie ein nettes Mittelklassemädchen, das nicht unbedingt sehr intelligent ist. Und das war das letzte was ich beabsichtigte“, erzählt Suzanne Vega lachend. Überhaupt kann Suzanne Vega stundenlang erzählen, von der Haßliebe zu ihrer Heimatstadt New York, von ihrer Neighbourhood im Warehouse-District der Millionenstadt, von San Francisco (die andere Stadt, in der zu leben sie sich noch vorstellen könnte), von ihren Flitterwochen in Paris, von ihrer Liebe zu klassischer Musik und Jazz, von Sergej Rachmaninow und John Coltrane und von der New Yorker Band Soul Coughing, die — in leicht abgewandelter Form — den Namen ihrer Tochter zum Titel des ersten Albums gemacht hat: ‚Ruby Vroom‘. Und man kann Suzanne Vega stundenlang beim Erzählen zuhören. Sie wirkt offen, mitteilsam, fast als ob sie eine Verschwörung mit ihrem Gegenüber plant, aber in Wirklichkeit läßt sie niemanden so richtig an sich herankommen. Der Kern der Vega bleibt verschlossen. Wie in ihren Songs. „Ich bin gewöhnlich sehr vorsichtig damit, wie ich meine Songinhalte präsentiere. Ich nehme alles weg, was die Person, über die ich schreibe, identifizieren könnte — auch wenn ich selber diese Person bin. Es ist nicht meine Absicht, die Leute zu verletzen, über die ich schreibe. Alle Texte sind persönlich, es ist nur eine Frage, wieviel Du verrätst.“

Trotzdem verrät Suzanne Vega einiges über sich auf ihrem neuen Album. Darauf präsentiert sie sich in einer vollkommen anderen Stimmung als bisher — mehr relaxt, mehr feminin. Ein Zeichen dafür, daß das Interesse der Vega an den dunklen Seiten des Lebens nachgelassen hat? Nein. Sie will immer noch Geschichten erzählen, die provozieren, sie will fragen, „habt ihr sowas auch schon mal erlebt? Ist es ein Teil eures Lebens?“ Und ihr eigenes Leben? Ist Suzanne Vega glücklich? „Ich würde mich nicht als glücklich bezeichnen, sondern vielmehr als optimistisch. Na ja, ich bin glücklicher als ich es mal war, vor allem bin ich glücklicher als man vielleicht denken könnte, wenn man nur auf meine Songtexte hört. Hmm, ich glaube die Lyrics auf der letzten Platte waren schon ein bißchen neurotisch, oder?“