Generationswechsel


Mich hat einfach der Wortwitz fasziniert“, erzählt Robert Kneschke (23) aus Berlin, der sich als 17-jähriger Austauschschüler nach Columbus, Ohio, abgetippte Ton, Steine, Scherben-Texte von einem Freund – ebenfalls auf Austausch – aus Australien faxen ließ. „Als er mir dann eine Kassette überspielt hat, war ich erst ein bisschen enttäuscht – Reisers Stimme war so nölig, irgendwie nicht, wie ich das erwartet hatte. Aber ich hab bald seine Intention verstanden …“ Sechs Jahre später hat Kneschke auf einem, „stinknormalen Studentenrechner“ in seiner Wohnung in Berlin-Pankow über sechs Gigabyte Daten zu Rio Reiser (bürgerlich Ralph Möbius, 9.1.1950 bis 20.8.1996) gesammelt. Ein bis zwei Stunden täglich – „Musikhören ausgenommen“ – investiert er in den Aufbau des Internet-Archivs www.riolyrics.de, das weit mehr bietet als die Texte von über 500 Songs. Inzwischen dürfte riolyrics.de das weltweit ergiebigste Portal über einen Musiker sein, der wie kein anderer Pionierarbeit in der deutschsprachigen Rockmusik geleistet hat, der als politischer Geist so erfolgreich Slogans für Hausbesetzer formuliert hat, wie er als Poet romantische und kitschfreie Texte verfasste. Und der 20 Jahre, bevor Grönemeyer seine Stadionauftritte mit „Der Mond ist aufgegangen“ beendete, in seinen Konzerten spontan „Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ vortrug. Zwar überlässt Kneschke bestimmte Bereiche anderen Websites (so findet sich zu Reisers früher Beatoper „Robinson 2000“ ein äußerst charmanter Ton-Ausschnitt aus der SFB-Rundschau vom 29. Juni 1967 in der Rio-Reiser-Datenbank unter http://mitglied.lycos.de/tinnitus/riodata.htm), doch besticht riolyrics.de mit diversen Extras, die in dieser Ausführlichkeit nur hier zu finden sind. So hat der Politikstudent mit Hilfe der Mikrofilm-Sammlung des Berlin-Archivs eine Reiser- und Scherben-Artikel-Sammlung angelegt, die Transkripte mehrerer hundert Publikationen von 1970 bis 2003 umfasst. Einzigartig ist außerdem die „Weiße Liste“, in der bekannte Fehler in der Betitelung von MP3-Files aufgelistet werden, um Downloads von ungewollten Songs auf Internet-Tauschbörsen zu vermeiden. „Es gibt natürlich Leute, die sagen, dass Tauschen die Musikkultur kaputt macht“, überlegt Kneschke, „aber ich bin ja auch über kopierte Sachen auf Rio gestoßen. Und heute besitze ich alle offiziellen Veröffentlichwigen.“

Der „König von Deutschland“ im Netz

www.riolyrics.de

Artikel, Texte, Analysen, Akkorde, MP3s aus Interviews…

www.rioreiser.de/bio/bio.html

Die ausführliche und offizielle Biografie

www.digitaldo.org/rio

MP3s von Rio-Reiser-Covers, u.a. Dylans „I Want You“

www.riocover.de

Alle Coverversionen, Raritäten, Duette etc. zum Thema