George Michael


Nacht der Fragezeichen: George Michael lässt in der Berliner O2 World viel Fremdmaterial und wenig eigene Hits orchestral aufblasen.

Nein, denn ich würde mir vorkommen wie Rod Stewart!“ – 1999 lehnte George Michael das Angebot noch ab, mit einem Orchester aufzutreten. Er wolle kein Nachlassverwalter seines oder eines fremden Backkatalogs werden, den er klassisch aufbereite. Zwölf Jahre später hat sich Michael nun doch in die Riege der Interpreten eines Songkanons eingereiht, der keine eigenen oder fremden Lieder kennt, nur … gute. Er hat halt kein neues Album zu promoten, das letzte, Patience, datiert auf 2004. Aber: Die Orchester-Sache fühlt sich nicht so richtig gut an bei ihm. Welches Konzept soll dem Set auch zugrunde liegen? Der 48-Jährige covert Nina Simone. Er covert Terence Trent D’Arby. Er covert Amy Winehouse. Es sind allesamt gute Songs, sogar Rihannas „Russian Roulette“. Nur fehlen bei Michael die Zusammenhänge, die seine Auswahl erklären. Sein Konzert hat den Charakter einer Nummernrevue, in der er wie ein swingender Entertainer zwischen den Jahrzehnten springt. Es wirkt so, als würde er mit jedem Song ein neues Gemälde zeichnen wollen, das er dann aber nicht abschließt. Dass auf sein eigenes „It Doesn’t Really Matter“ das Bing-Crosby-Cover „Brother, Can You Spare A Dime?“ folgt – das liest sich ja schon schwierig. Das Orchester hält mehr oder weniger gut mit. Die ins Jazzige übersetzten Coverstücke seines Songs From The Last Century-Albums sind nicht das Problem, sie klingen wie auf Platte. Es sind die eigenen Lieder. Der Kontrabass-Walzer von “ Cowboys And Angels“? Wird zu Tode orchestriert. Die Keyboardwucht von „Praying For Time“? Schunkeln für Weltverbesserer, plus Streicher. Aber genug der Kritik. Die gute Nachricht: George Michael ist, wie schon bei seiner „25 Live“-Tour von 2006, fabelhaft bei Stimme. Nur die ganz hohen Töne fehlen. Diese Verfassung hätte man nicht voraussetzen müssen, denkt man an seine jüngeren Drogengeschichten. Er stellt sogar einen neuen Song vor, „Hope Where You Are“. Aber bitte: Den darin vorgeführten Auto-Tune-Effekt sollte er schnell in die Mottenkiste verfrachten. Sonst wirkt er echt alt.