Giant Sand


Obwohl heute abend drei Leute auf der Bühne stehen, ist Giant Sand eigentlich ein Ein-Mann-Unternehmen: Howe Gelb. Songschreiber, Gitarrist, Sänger und Mundharmonika-Spieler, ein typisch amerikanischer Querdenker, zäh wie ein Wüstenkaktus. Gelb lebt tatsächlich in der Wüste, weit genug entfernt von sämtlichen „Szenen“, um sich hemmungslos fast aller musikalischen Idiome bedienen zu können. Das Material, das er unter der Sonne von Arizona produziert, reicht deshalb ohne Probleme für zwei Bands aus – Giant Sand ist nämlich nicht nur Giant Sand, sondern auch The Band Of Blackv Ranchette.

„Hi, this is The Band Of Blacky Ranchette“, begrüßt Gelb das Publikum und sorgt damit gleich mal für Verwirrung – während der nächsten Stunde denken einige Münchner, es handle sich um die Vorgruppe. Ein verständlicher Irrtum, denn Gelb, dieser leicht angeschmuddelte Hippie-Typ ohne besondere Kennzeichen, ist nicht gerade eine charismatische Persönlichkeit.

Zunächst taucht Giant Sand – beziehungsweise die Band Of Blacky Ranchette – tief in den City-Blues ein, wobei sich Howe jedoch selbst nicht ganz ernst nehmen kann: „Help me, mama“, singt er, „help me, mama – I’m turning inio Stevie Ray Vaughan!“

Vor diesem Verhängnis fluchtet er in ein mehrere Minuten langes krachendes und atonales Spektakel mit der lärmenden Anti-Gitarre. Bassist und Schlagzeuger wechseln bestürzte Blicke und versuchen, so gut wie möglich hinterherzukommen – ein hoffnungsloses Unterfangen, da der Anführer selbst nicht genau weiß, wohin es als nächstes geht. Außerdem ist er ein bißchen irritiert, weil Giant Sand um 22.30 den Disco-Tänzern weichen soll.

„Hey man, we can disco“, erklärt er und stimmt zum Beweis Sly Stones „Thank You Falletin Me Be Mice Elf Agin“ an. den unerwarteten Höhepunkt des Sets mit funkiger, schneidender Wah-Wah-Gitarre. Viele von Gelbs Songs sind nostalgisch angehaucht; die Lokomotiven-Rhythmen von „Code To The Road“ und „Under Ground“ erinnern beispielsweise an Johnny Cashs „Orange Blossom Special“. Ab und zu ha! Gelb dann genug vom hämmmernden Thrash-Rock und streut filigranes Country-Blues-Fingerpicking à la Mississippi John Hurt ein. Und natürlich steht Giant Sand tief in der Schuld von Neil Young, dem wichtigsten Vorbild der meisten Gitarren-Bands.

Leider geht Gelb oft fast gleichgültig mit seinem Material um. Der Sinn seiner Texte – manche triefend vor Ironie, manche komisch, manche ernst – geht meist verloren, da er bevorzugt neben anstatt in das Mikro knurrt.

Seine musikalischen Fähigkeiten – er wechselt mühelos zwischen Country, Folk, Blues, Thrash, Metal und mehr – kommen dagegen deutlich zur Geltung. Das ist ein willkommener Kontrast zur fummeligen Unbeholfenheit der meisten „Indie“-Rocker.