Gruppo Sportivo


Heilige Kühe nehmen sie mit Vorliebe ins Visier. Die holländischen Sports-Kameraden um Spielführer Hans Vandenburg schrekken auch nicht davor zurück, sich selbst und die gesamte Rockmusik durch den Kakao zu ziehen.

Er sieht so aus, als hatte ihn Walt Disney gezeichnet: Hans Vandenburg – musikalischer Karikaturist und Kopf der Gruppe Sportivo: schon etwas älter, (sein genaues Alter gibt er nicht bekannt) dünn, riesig und dementsprechend schlacksig. Seinen etwas nach vom gebeugten Kopf ziert ein ultrakurzer Messerschnitt. Falls nicht gerade der obligatorische billige Malocher-Hut draufsitzt. Die leicht gebogene Nase trägt eine große, getönte Hornbrille. In den dahinter verborgenen Augen kann man lesen, daß ihm der Schalk im Nacken sitzt Womit wir beim Thema waren. Das Auffälligste an Gruppo Sportivo sind die bissig satirischen Texte Vandenburgs. Als Thema ist ihm alles recht – bevorzugt karikiert er jedoch die Dinge, die andere besonders ernst und verbissen sehen.

Ich erwarte beim Interview also einen reinen Kopf-Typ, hat er doch auch sich selbst in einem seiner Texte so geschildert I’ve got no muscles, I’ve got brains.“ Doch schon im Anfangsstadium des Gesprächs mit ihm und Keyboarder Peter Calicher werde ich eines Besseren belehrt. Die Musik von Gruppo, die von Kritikern nie im gleichen Maße beachtet wurde wie die Texte, ist ihm wichtiger als die Inhalte der Stücke: „Ich schreibe diese Texte, weil ich gute Texte schreiben, nicht aber weil ich eine Botschaft verbreiten will. Ich möchte erst einmal gute Musik machen. „

Bleiben wir noch bei der Musik. Vier LPs gibt es von Gruppo mittlerweile. Eine weitere Platte spielte Vandenburg mit einigen Mitstreitern unter dem Namen Buddy Odor Stop ein. Obwohl man ihre Musik spontan identifizieren kann, ist es unmöglich, die Musikart stilistisch festzulegen. Ähnlich breit wie der Themenkatalog der Texte ist das musikalische Spektrum. Der vage Oberbegriff Pop ist vielleicht noch zulässig – mehr nicht. Gruppo saugen wie ein Schwamm verschiedene Stilarten auf und verschmelzen sie zu einem eigenen Sound. Die Grundmelodie der Songs ist meist simpel – jedoch oft gespickt mit raffiniert eingebauten Breaks, Tempowechseln und Disharmonien. Spaß am Probieren kommt durch.

Daß Gruppo sich nie auf eine Stilrichtung festgelegt haben, hat es ihnen bestimmt nicht einfacher gemacht. Nicht nur das Publikum, sondern besonders auch die Medien brauchen Künstler mit einem definierbaren, vermittelbaren, also verkäuflichen Image. Die Mannen um Vandenburg wollen aber gerade eine Anti-Image-Band sein. Auf ihrem neuesten Album POP! GOES THE BRAIN präsentieren sie sich dem momentanen Zeitgeist entsprechend in besonders gestyltem Outfit. Zum Aussuchen. Je nachdem wie man die Innenhülle dreht, zeigt sich im Fenster des Covers eine Band im Piraten-Leder-Punk-Undsoweiter-Look. Der Gag dabei: Hans Vandenburg steckt immer in der falschen Verkleidung: Als Pirat unter belederten Hardrockern, als Landfreak unter adrett geschminkten Piraten etc.

Nachteilig für Gruppo auch, daß sie keine Hit-Band sind. Teile der englischen Presse meinten sogar, Gruppo Sportivo würden nichts Eigenes machen. Vandenburg reagierte mit einem Song: „Bläh Bläh Magazines“. Im Interview erläutert er, worum es ihm geht: „Wir wollen eine Fun-Band sein, die alles machen kann. Meist dreht es sich bei uns um Spaß, doch manche Dinge nehmen sogar wir ernst.“ Wahrscheinlich wenn es um Politik geht, denke ich mir, und spreche Hans und Peter auf Reagan, die Neutronenbombe und die Friedensbewegung an. Hans:

„Es gibt Leute, die die Neutronnenbombe ablehnen, das Militär mit seinen anderen Wallen Jedoch akzeptieren. Das ist Nonsens. Man darf das ganze Kriegsdenken nicht bejahen.“ Ich nicke zufrieden; doch dann: Ich jedoch bin nicht so ernsthaft, daß ich in meinen Songs permanent darüber singen möchte oder bei Demonstrationen mitmarschiere. Manche Leute sind einfach zu mächtig. Und wenn du verändern willst und nichts verändern kannst, wirst du vielleicht zum Terroristen und sie werden dich umlegen. Würde ich mich politisch engagieren, so würde ich tagtäglich reden, reden, reden und trotzdem nichts Grundlegendes verändern. Ich habe schon zuviel darüber geredet.“ Eine Gefühlsmischung aus logischer Einsicht und Enttäuschung macht sich bei mir breit. Hans merkt das und kommt auf den Punkt „Ehrlich gesagt bewundere ich die Leute, wie zB. die von Green Peace in Holland, die sich für ihre Einstellung mit den Bullen anlegen, doch mir fehlt dazu der Mut. Ich habe ganz einfach Angst – vielleicht bin ich ein Feigling.“

Soviel Ehrlichkeit tut gut und zum Dank wechsle ich zu ihrer Erleichterung das Thema. Wie denkt jemand, der sich aus fast Allem einenSpaß macht, denn über deutsche Bands und besonders die sogenannte Neue Deutsche Welle, z.B. DAF? Hans: Ja doch, mag ich schon, besonders „Tanz den Mussolini“ und… „Peter fällt ihm ins Wort: „Deutschland ist, glaube ich, das ernsteste Land, das ich kenne. Ich hab‘ den Eindruck, daß sie keinen richtigen Spaß machen können.“ „Richtig, die Deutschen haben keinen Humor“, wirft Hans lachend ein. „Die komischste Band ist wahrscheinlich Spliff Radio Show“, bemerkt Peter mit ironischem Unterton, „wir würden heulen, wenn wir sooo komisch wären“. Hans: „Es gibt sicher einige Profis in Deutschland, doch was den meisten fehlt, ist Soul. Viel Technik – nichts dahinter. Das ist sicher auch der Grund, warum Kraftwerk in der BRD so populär sind Sie spiegeln die deutsche Gesellschaft wieder: Clean und angepaßt.“