Interview

H-Blockx im Blind Date: „Das kann man doch nicht bringen!“

Sie sind wieder da: Die H-Blockx gehörten Mitte der 90er zur Speerspitze der europäischen Crossover-Szene. Gemeinsam mit Sänger Henning Wehland schenken wir diesem Genre und seinem aktuellen Revival-Modus ein Ohr.

Zwischen Beastie Boys, Red Hot Chili Peppers und deutscher Musikgeschichte: Im ME-Interview ordnet Henning Wehland das Phänomen Crossover ein.

BODY COUNT — „Body Count’s In The House“ (1992)

Das ist das beste fucking Intro, das es jemals gegeben hat [rappt mit]. Ich wohne auf einem Reiterhof. Wenn ich mit dessen Besitzer Auto fahre, pumpen wir diesen Track. Es gibt nichts Geileres.

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Leute schmeißen uns oft in einen Topf mit Bands von Body Count bis Such A Surge. Der Unterschied: Es gibt Bands, die vom Hip-Hop kommen und Gitarren darunter legen. Andere, wie wir, haben Sprechgesang auf Rock und Punk gelegt. Ice-T hob mit seiner Attitüde Rap auf eine neue Stufe. Wir lernten ihn 1999 auf der Vans Warped Tour kennen. Du wächst dort zu einer Art Camper-Familie zusammen. Barbecue mit Pennywise. Aftershow-Partys im Wohnmobil von Ice-T. Basketball mit Eminem. Das waren meine 15 Minutes of Fame.

RED HOT CHILI PEPPERS — „Good Time Boys“ (1989)

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Gänsehaut. Im Backstage-Raum des sehr kleinen Odeon-Clubs in Münster prangte damals ein riesiges Logo mit Faust und dem Peppers-Stern an der Wand – erschaffen von der Band selbst, die 1988 dort auftrat. MOTHER’S MILK ist in puncto Legacy ihre wichtigste Platte. Eine weiße Band, die eigentlich Schwarze Musik macht. Sie waren quasi der Eminem des Funk, Punk und Rock’n’Roll. All das, was danach kam, gönne ich ihnen trotzdem.

Als Schülerband habt ihr die Peppers dieser Phase gecovert.

Auf ein paar unveröffentlichten H-Blockx-Songs war dieser Einfluss auch unüberhörbar [rappt]. Auf einer Nummer von TIME TO MOVE adaptieren wir diesen Style 1:1.

BEASTIE BOYS — „Sabotage“ (1994)

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Die Beastie Boys sind ihre eigene Rubrik. Ein Genre, das nie mehr erreicht wurde. Egal, ob es am Ende beziehungsweise Anfang Rick Rubin war, der der Legende nach dieser jungen Punkband aus New York sagte, sie solle es mal mit diesem neuen Ding namens Rap versuchen.

Adam „MCA“ Yauch starb 2012.

Eine Freundin von mir arbeitete Ende der 90er bei einer Organisation, die sich für die Freiheit von Tibet einsetzte. Die Beastie Boys fungierten als Schirmherren. Sie lernte Yauch kennen, wollte mir eine Freude machen und ließ ihn drei Zeilen auf eine Postkarte schreiben, die mich eines Tages erreichte: „Jo, Henning, ich hab’ gehört, du hast auch eine Band. Ich wollte dir schöne Grüße von einem hübschen, pinkhaarigen Mädchen ausrichten aus New York City.“ Unterschrieben mit MCA.

Hast du die Karte noch?

Nee. Ich bin kein Keeper. Selbst alte Kartons mit Erinnerungen verliere ich. Ich hänge nicht an der Vergangenheit in Form von materiellen Dingen. Den Sinn des Sammelns verstand ich auch nie.

Obwohl die 90er dafür so viel zu bieten hatten: Sammelkarten aus Sport oder Wrestling. Cola-Dosen mit BAP, Westernhagen …

… und H-Blockx!

SUCH A SURGE — „Gegen den Strom“ (1993)

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Ich weiß nicht, ob es uns ohne Such A Surges erste EP je gegeben hätte. Die Jungs sind Deutschlands Crossover-Pioniere, nicht wir.

Die sich laut deren Bassist und Manager Axel Horn zu euch wie VIVA Zwei zum bunteren VIVA verhielten.

Wir sind älter als VIVA. Unser Debüt wurde wegen des Sendestarts am 1. Dezember 1993 verschoben. TIME TO MOVE war 1993 fertig und erschien erst im August 1994 – zu unserem Unwohlsein, weil reihenweise Bands rauskamen, von denen wir dachten: Jetzt fährt der Zug wieder ohne uns los. Aber klar: Wir drehten Clips, die auf diesem Kanal liefen. Wir übertrieben den Pop-Art-Gedanken darin regelrecht.

THUMB — „Red Alert“ (1995)

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Sänger Claus Grabke war ein Skateboarding-Idol. Ein Unicorn, das als Ostwestfale aus Gütersloh ganz oben mitgefahren ist. Bei Thumb gab es von meiner Seite aus damals ein gewisses Konkurrenzdenken. Die waren Realkeeper, true to the base. Ich hatte das Gefühl, Claus und ich hatten Knatsch. Haben wir beigelegt.

Deren Drummer Steffen „Steady“ Wilmking spielt heute bei euch mit und hat als Produzent zum Beispiel Caspers XOXO verantwortet.

Ihn habe ich damals schon bewundert. Ich traf ihn beim Monster Mastership. Er hatte sich beim Skaten den Arm gebrochen und eine beeindruckende Narbe. „Tut nicht mehr weh“, sagte er, „aber wegen des Schlagzeugspielens kann ich jetzt nicht mehr Skateboard fahren.“ Wahnsinn, dass dieser Typ später bei uns einstieg. Heute ist er der Herzschlag der Band und führt mit Keshav Purushotham (Timid Tiger) das tolle Label Papercup Records.

ALLIGATOAH FEAT. FRED DURST — „So raus“ (2023)

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(Nach einer Minute des Rätselns): Ach, Alligatoah natürlich! Wir sollten mal in seinem Vorprogramm auftreten. Dieses Feature mit Fred Durst hätte ich nicht gebraucht, um ihn gut zu finden. War das credibil oder ein Jump-on-the-Train-Ticket? Ich find’s geil, dass er als sehr junger Künstler versucht, sich dem sehr uncoolen Thema Crossover zu nähern. Zum Feature: Ich habe mit Sarah Connor ein Duett gesungen. Ich weiß: Wenn du dich mit einem Namen umgibst, dessen Stern heller strahlt als deiner, wirst du immer nur einen großen Schatten werfen. Aber nie in diesen Fred-Durst-Dunstkreis kommen, hätte ich jetzt fast gesagt.

Innerhalb seiner Zielgruppe ist Alligatoah der viel größere Star als Durst. Ein ausgemachtes Crossover-Revival hat das dazugehörige Album OFF trotzdem nicht losgetreten.

Das wird es auch nie geben. Es gibt keine Crossover-Kultur. Das war ein Phänomen, das als Blase häufig belächelt wird. Eine Vorbereitung für den wurzelnschlagenderen Nu Metal.

FINCH X SDP X PHIL THE BEAT — „Abenteuerland“ (2024)

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Electric Callboy? Nein? Ich kann sogar etwas für Pur empfinden. Und Alter, ich kann sogar zu so einer Art Musik feiern. Aber diese Stilelemente! Fast alles ist für mich falsch daran. Moment: Das ist nicht Finch, oder? Den mag ich sogar. Ich glaube, der Typ ist authentisch. Seine Texte und Musik funktionieren wie bei Ski Aggu und Ikkimel – wie ein Störer und ein Spiegel. Ich denke: „Das kann man doch nicht bringen!“ Und denke gerade deshalb darüber nach. Nach „Risin High“ fragten sich die Leute bei uns auch: „Sollen wir lachen oder weinen?“