H. Grönemeyer


Als er vor der dritten Zugabe sagt: „Jetzt fangen wir wieder von vorne an“, und dann die ersten Töne von „Bochum“ erklingen, gibt es wohl niemanden in der ausverkauften Bochumer „Zeche“, der nicht liebend gern noch mal zweieinhalb Stunden geblieben wäre. Hier in Bochum hat Grönemeyer natürlich ein Heimspiel, aber ähnlich müssen die Reaktionen überall auf seiner jüngsten Kurz-Tournee gewesen sein.

Allerdings, was in der früheren Heimatstadt des Schauspielers und Musikers passierte, kann als eine der Sternstunden dieser Saison gelten: euphorische Wogen der Begeisterung für einen brillanten Auftritt. Da war selbst die routinierte Band mit ihrem Spielführer Grönemeyer ziemlich baff; leicht konsterniert, wie Kinder, die gerade einen viel zu großen Teddybären auf der Kirmes gewonnen haben, hockten sie hinterher in der Garderobe.

Nicht kalkulierte Show-Gimmicks, nicht stromlinienförmige Songs (im Gegenteil – Grönemeyer-Kompositionen haftet oft etwas Hölzernes, Sperriges an), sondern das Wechselbad der Emotionen kriegt auch das zäheste Publikum weich. Grönemeyer singt nicht mit dem Mund, er singt mit dem ganzen Körper, holt seine mächtige Stimme ganz tief aus dem Bauch, läßt die Energie bis in die Haarspitzen, bis in die kleinsten Gesichtsmuskeln schießen. Und die Funken springen über, machen Gänsehaut, lassen mitfühlen.

Kein Zweifel: Wer nur seine Platten kennt, kennt nur den halben Mann. Trotzdem: Es sieht ganz so aus, als ob die Zeichen für die neue LP „4630 Bochum“ auf Durchbruch stünden. Lange genug hat er ja gewartet, sich mit Achtungserfolgen und Kritikerlob über die Runden gerettet. Daß der Leinwandruhm („Das Boot“) für Rückenwind sorgt, ist ihm dabei eher hinderlich. Grönemeyer fühlt sich nicht als Schauspieler, der „jetzt auch noch singt“: „Ich war immer zuerst Musiker. Als Pianist am Bochumer Schauspielhaus bin ich nur durch Zufall an die Schauspielerei gekommen, als ein Darsteller für ein Beatles-Musical gesucht wurde.“

Überhaupt, von der Filmerei hat er erst einmal die Nase voll: „Erstens lesen sich die meisten Drehbücher, als seien sie auf dem Klo geschrieben worden; und zweitens will ich das Filmimage durchbrechen. Da wirke ich immer so glatt, lieb, nett. Ich will zwar nicht mit Gewalt unsympathisch sein, aber möchte doch mit der Musik etwas machen, das hundertprozentig mit mir identisch ist. Da können Leute auch ruhig sagen: ‚Der singt ja furchtbar! Wie das kratzt und quäkt!‘ Ich bin nun mal keiner für alle.“