Happy fuckin‘ new year! Guns N‘ Roses lassen es heulen und krachen


MIAMI. Mit bis zu zehn Toten sei zu rechnen, hatte ein lokaler Radiosender vor dem Silvester-Konzert gewarnt. Das jedoch konnte mehr als 40.000 Fans nicht daran hindern, das Joe Robbie Football Stadium in einen Hexenkessel zu verwandeln. „Wir haben Tikkets für die ersten Reihen“, grinst ein Fan der beinharten Fraktion.

„Von mir aus können wir dort auch sterben.“

Doch so weit wird es nicht kommen. Hundertschaften der Metro Police pikken potentielle Schläger schon vor Beginn der Show aus der Masse und werfen 75 Trunkenbolde aus dem Stadion. Die Vorgruppe Soundgarden lärmt im weiten Rund der Arena wie ein trotziges Kleinkind im Laufstall. Doch die Vorreiter der „Subpop“‚-Szene aus Seattle benötigen die Intimität eines Clubs, um Atmosphäre zu schaffen. Hier im gigantischen JRS wird der Soundgarden zum Mauerblümchen.

„Get in the ring, motherfuckers, here’s Guns N’Roses“, brüllt der Announcer das Motto in die Dunkelheit dieses lauen Winterabends. Und 40.000 Kehlen antworten mit einem Urschrei. den Gitarrist Slash mit dem Intro zu „Welcome To The Jungle“ kaum übertönen kann.

Daß die Band mit dem Ausscheiden von Izzy Stradlin nicht nur einen wichtigen Songschreiber, sondern auch ihren kompetenten Rhythmusgitarristen verloren hat, fällt beim besten Willen nicht auf. Izzy-Nachfolger Gilby Clarke (den Axl beiläufig mit den Worten vorstellt „We got somebody whofelt a little more like louring with us“) paßt sich unauffällig in das Soundgefüge ein, ohne Slashs Solo-Kreise zu stören. Neu auch die Background-Sängerinnen, die Axl Gelegenheit geben, zumindest zeitweise seine geschundenen Stimmbänder abkühlen zu lassen.

Nach dem swingenden „Mr. Brownstone“ ziehen Guns N’Roses bei „Live And Let Die“ erstmals alle Register. Stroboskop-Gewitter setzen visuelle Akzente, während die Band ein Musterbeispiel musikalischer Präzision liefert. Wobei deutlich wird,

wie wertvoll Ex-Cult-Drummer Mati Sorum für die Gunners ist: Brachte Vorgänger Steven Adler nur Rock ’n Roll-übliches Holterdipolter zustande, glänzt Sorum mit perfektem Tuning.

Slash nutzt den Übergang von „Double Talkin‘ Jive“ ins bravouröse „Civil War“, um uns zu zeigen, wie brav er sein Einmaleins auf den sechs Saiten gelernt hat: Aus dem Volkslied „Auld Lang Syne“ entsteht „Voodoo Chile“, während der Stiefel in bester Hendrix-Manier auf dem Wah-Wah-Pedal wippt. Vor „Patience“ klimpert der kettenrauchende Axeman „Wild Horses“ von den Stones, bevor mit „Only Women Bleed“ (Alice Cooper) und „Bad Time“ (Grand Funk Railroad) zwei weitere Fremdkompositionen auf dem Programm stehen.

Guns N’Roses haben an diesem Silvesterabend immerhin fast drei Stunden zu füllen. Mit „Paradise City“ aber geht das Jahr 1991 in Miami endgültig seinem Ende entgegen. Kurz vor Mitternacht schaut Axl auf die Uhr, beginnt den Countdown und brüllt in die letzten Takte des Songs hinein: ….. three … rwo …

one … HAPPY FUK-KIN‘ NEW YEAR!“

Die Feuerwerksböller beschließen ein Konzert, das einmal mehr das Potential dieser Band bewies. Wenn sie nur immer in so bestechender Form wären.