Hawkwind


Nach vier Jahren Hiterfolg

Es ist erstaunlich, dass eine regelrecht irre Underground-Gruppe, welche HAWKWIND zweifellos darstellt, mit einer Single allerorten die Hitparade stürmt. Die Gruppe selbst kann mit diesem Erfolg am allerwenigsten etwas anfangen. Hat doch die Erfahrung von mehreren Jahren gezeigt, dass für „AUSGEFLIPPTE“ Musik in den kommerziellen Charts kein Platz ist. Um so denkwürdiger dieser Einstieg in das Bewusstsein einer breiten Masse. Plötzlich ist HAWKWIND nicht mehr nur ein Geheimtip von informierten ‚Insidern‘, sondern in aller Munde, und das praktisch über Nacht. Nick Turner, Saxophonist, der in seiner schwarzen Lederkleidung und dem Freak-Aussehen‘ eher wie ein Space-Captain in der Freizeit, als wie ein Musiker anmutet, sieht durch diesen Erfolg ihrer Single Silver Machine‘ so etwas wie ein verändertes musikalisches Bewusstsein in der breiten Masse von Single-Käufern. Trotzdem ist ihm nicht ganz geheuer bei der Vorstellung, demnächst als Hitparaden-Gruppe abgestempelt zu werden. Denn: „Wir sind potentielle LP-Produzierer.“ Die Single, von der hier die Rede ist, ist ein Vorgeschmack auf ihre neueste LP, welche ein melodramatisches Space-Opera-Projekt beinhaltet. Der Erscheinungstermin ist noch nicht sicher, und auch der Titel liegt noch im Dunkeln. Doch viele, die ihre erste Scheibe HAWKWIND‘ oder jene Supergeschichte ‚In Search Of Space‘ kennen, können sich sicherlich vorstellen, was da auf sie zurollen wird.

Eine wirbelnde Raummusik

Die Musik der Gruppe ist schlecht zu umschreiben, nur durch eine Vermischung von Bass, Gitarre, Saxophon, Schlagzeug und Elektronik entsteht ein einzigartiger, grosser wirbelnder Sound. Nick Turner ist auch etwas verwirrt, wenn er gebeten wird, HAWKWIND MUSIK zu beschreiben. Für ihn ist in dieser Musik alles drin. Horror, Schönheit, Schwachsinn, Ekstase, Gewalt und Friedfertigkeit. „Wie ein Trip, eine Reise in unentdeckte Grenzgebiete Deines Bewusstseins, die Du ungenügend, oder fast gar nicht in Worte kleiden kannst, ist auch unsere Musik kaum in Worten auszudrücken.“ Soweit Nick Turner. Die anderen pflichten dieser Definition kopfnickend bei, fehlte es ihnen doch auch an Worten. Auf der Bühne arbeiten sie wie Berserker, die es darauf anlegen, ihre ungeheure Explosivität dem Hörer in den Kopf zu drücken. Sie haben schon des öfteren festgestellt, dass selbst Leute, denen ein geistiges Verhältnis zu ihrer Musik fehlte, bei ihren Auftritten zu einer Reaktion gezwungen wurden. Ob diese nun gut oder schlecht ausfiel, spielte keine Rolle mehr. Sie war vorhanden, und das ist der wesentlichste Punkt. Ihre Elektronik ist ein legales Mittel, welches ihren Zweck heiligt. Sie wird mehr mit dem Kopf eingesetzt, als gefühlsmässig den Hörern dargeboten. Sie haben es mal bei einem Gig in Nottingham geschafft, dass es mehreren Leuten, die sich vorher den Kopf mit Alkohol vollgegossen hatten, während des Konzertes kotzschlecht wurde und einige Mädchen sich in ärztliche Behandlung geben mussten. Das ist, so unwahrscheinlich es auch klingen mag, eine Tatsache. Trotz dieses ungewollten Effektes im Magen, schlägt ihre Musik im Hinterkopf an und explodiert dort auch, bei der nötigen Aufmerksamkeit.

Musik mit Gehalt

Sie sind eine echte Head-Gruppe, die sich jedoch nicht mit den psychodelischen Spielereien von PINK FLOYD vergleichen lässt. Sie haben einen anderen Weg eingeschlagen als Roger Waters, David Gilmour und Konsorten. Ich meine, sie sind konsequenter und gradliniger in der Einhaltung eines einmal gestellten Konzeptes. Sie geben auch unumwunden zu, dass sie ihre Erfahrung in Drogen musikalisch weitervermitteln möchten. „Wer unsere Musik aufmerksam verfolgt, braucht nicht ‚tripsy‘ zu sein. Unsere Musik ist ein Drogen-Erlebnis.“ Es gibt fast keine Gruppe, mit der man HAWKWIND vergleichen kann, und das ist gut so. Sie fühlen sich wohl in ihrer Einmaligkeit, und auch die Kommunikation der Mitglieder untereinander klappt vorzüglich. Da die Linie der Gruppe schon vor drei Jahre/i, als sie sich noch anonym Group X nannten, gefestigt worden war, spielen personelle Veränderungen innerhalb der Mannschaft keine schwerwiegende Rolle mehr. Das Konzept ist klar. Bob Calvert, der für die lyrische Seite (Texte) verantwortlich ist, stieg nach einem ‚Paradiso‘ Konzert in Amsterdam aus, ist aber heute wieder mit dabei. Die einzigen, die von der Ur-Band Group X und später HAWKWIND nicht mehr dabei sind, sind Dave Anderson, Bass, der lange Zeit Amon Düül II begleitete, und der Schlagzeuger Terry Ollis. Er wurde durch Simon King ersetzt und Dave durch den supercoolen Lemmy. Heute präsentiert sich die Gruppe in folgender Besetzung:

Nick Turner: Flöte/Saxophon

Dave Brock: Gitarre

Dik Mik: Synthesizer

Del Dettmar: Elektroniker

Lemmy: Bass

Simon King: Schlagzeug

Bob Calvert: Text, Gesang, Flöte