Her mit den kleinen Berlinerinnen


Sie heißen Tina, Tanja, Sandra, Brita, Susanne und Wibke, sind zwischen 14 und 16 Jahren alt und verkaufen zur Zeit mehr Platten als Nena. Sie können auch besser singen und gehören zur Studio-Crew des Südberliner Trabanten-Gesangsvereins, den Gropiuslerchen. Kinen guten Namen haben sie sich schon früher gemacht, als sie Udo Jürgens oder der deutschen Version von Pink Floyds THE WALL ihre Stimmen liehen. Jetzt konnten sie ihren ersten eigenen Hit landen: „Berlin Berlin“ wurde von ehemaligen Mitgliedern des Ersten Kuturologischen Congresses geschickt in den Kümmel zur 750-Jahr-Feier plaziert. Der Song ist eine Frechheit: Über beinharte Baßlinien und furztrockene Maschinenrhythmen legten die Künstler historisches Politikergeschwafel. Da meldet John F. Kennedy dem Volkszähler „Ich bin ein Berliner“, Willy Brandt raspelt „Mauer weg!“-Parolen und selbst Genosse Walter Ulbricht kommt zu Wort. Dazu ein Refrain, ein gigantischer Ohrwurm, der sich schon seit Wochen durch alle Berliner Badio-Kanäle bohrt: „Berlin, Berlin, dein Herz kennt keine Mauern …“ Krisch und frei und klar und scharf trällern die Hochhaus-Vögelchen, als gelte es, die Mauern von Jericho einzusingen. An eine Zukunft in der Unterhaltungsmusik glauben sie trotzdem nicht, auch Solo-Karrieren wollen sie keine starten, sondern teilen sich lieber die Tantiemen und gehen mit dem Chor auf Reisen. Sie lungern auch nicht in Discos rum, Punks können ihnen gestohlen bleiben, und Billy Idol finden sie sowieso eklig. Während die Großen dem Laster fröhnen, treffen sich die Gropiuslerchen daheim und machen Ilouse-Music: mit KJavier, Geige, Gitarre und fünfstimmigen Chorsätzen alter Beatles-Nummern.