Hirnflimmern


Eine arabische Affäre

Das finde normal, wer will: Draußen vorm Fenster schnattert ein Vogel ein Schnattern, das hört sich an wie dieses Gruselorgel-Stakkato in „Draw Japan“ von The Horrors. Dann soll er halt gleich auf dem Fensterbrett landen und „Nevermore!“ krächzert, ich wär grad in der Stimmung. Und wenn man eh schon in so Stimmungen ist, dann latscht man nichts Böses (also: nichts zusätzlich Böses) ahnend zur Tanke und liest auf den Boulevardzeitungen die Schlagzeile, dass Oliver „Vollidiot“ Pocher jetzt die Harald Schmidt Show „retten“ soll, indem sie den Kerl neben Schmidt in die Sendung reinsetzen. Jetzt verschwende ich beileibe nicht viel Energie daran, mich über Dinge aufzuregen, die im Unterhaltungsfernsehen passieren (und Schmidt, der Widerborst, wird irgendwo erzählen, dass der Pocher doch ein talentierter Kollege sei, und subversiv durchblicken lassen, dass er, Schmidt, eh nur in it for the money ist), aber das ist doch mal eine Spitzenidee zum Nachmachen! Wenn die nächste Tocotronic nicht so gut läuft, soll die Plattenfirma halt noch ein paar Songs von DJ Ötzi mit auf die Platte tun, den finden doch total viele voll geil. Und würden nicht viel mehr Leute die „Tagesthemen“ schauen, wenn’s da so lustige Rubriken gäbe à la „Deutschlands dümmste Frauen am Steuer“? Ich kapier’s nicht. Wie auch?

Ich also vorhin an der Tanke, ein Schokoladenstück kaufen. Davor lungern zwei Madchen rum, 13 oder so, und ein Typ, baggy angezogen, pretty fly for a white guy halt. Und offenbar ist es so,dass die Mädchen gerade unter Aufsicht des baggy Typen lernen, Leute um Geld anzuquatschen. Gerade haben sie eine junge Mutter mit Kinderwagen (aber so geflochtenen Dreads, also von der Signalwirkung ihres Styles her jemand, der sich mit Streetkids zu solidarisieren geneigt ist, auch wenn die aussehen wie schuleschwänzende „Yam!“-Leserinnen) in Arbeit. Die friemelt eine Münze aus dem Geldbeutel, für die sich die Schnorr-Azubinen uncoolerweise (ist das heutzutage streeetwise?) überschwänglich bedanken. „Mei, danke! Sie retten uns das Leben!“ etc. Ich geh in die Tanke, hinter mir kommt das eine Mädchen rein und gibt gleich mal die Kohlen aus-, für Drogen oder so. Ich kaufe mein Schokostück und gehe raus. Draußen stehen der baggy Typ und das andere Mädchen, drauf und dran, mich anzuquatschen, zögern erst- meine Körpersprache ist wohl etwas uneinladend -, und im allerletzten Moment fasst sich das Mädchen ein Herz und sagt: „Entschuldigen Sie…“ Ich dreh mich rum, mein Schokostück grad ungünstig halb im Mund, und isch kucke. Und sie kuckt. Und sagt dann so was wie: „Ah. Also. Okay“ und lässt von mir ab, als wäre ihr geradewas Wichtiges eingefallen. Die Szene ist wie in so einer Gruselkomödie, wenn ein Argloser auf der Straße einen eben zum Monster Mutierenden anspricht, und der dreht sich rum, und die Augen leuchten irre, und der Anquatscher erstarrt, sagt so was wie: „Ah. Oh. Okay“ und macht sich aus dem Staub. So viel also dazu. Ich kann kleine Mädchen beeindrucken wie ein Monster in einer Gruselkomödie. Es gibt aber auch noch gute Nachrichten, zumindest für den Leser Andreas R. (s. Hirnflimmern 6/07). den ich auf diesem Weg benachrichtigen muss, weil ich seine Mailadresse versemmelt habe. Das Rätsel des Mystery-Pfeifliedes, über dem wir schier verzweifelten, ist gelöst; es war – beschämenderweise – Kollege Hentschel vom anderen Magazin, der die Lösung wie aus der Pistole schoss: Es handelt sich um die Melodie „Arabian Affair“, ein Novelty-Hit der Gruppe The Abdul Hassan Orchestra von 1978. War das hilfreich, oder was?