Hurricane Tag 3: Fettes Brot verprügeln Giraffen und James Blake ist beleidigt


Der dritte und letzte Tag des Hurricane Festivals 2014 ist überstanden und ging mit einem Knall zu Ende: Seeed, Fettes Brot und Moderat feierten den Abschied im großen Stil.

„Hurricane Festival! Wie frisch seid ihr?“, rufen Bilderbuch zu Beginn in den Raum, als die Österreicher im Zelt der White Stage auftreten. Mit skurril-lakonischen Texten hat das Quartett in den letzten Monaten bereits für mächtig Wirbel gesorgt und schaffen es auch beim diesjährigen Hurricane Festival das Publikum schnell zum Tanzen zu bringen.

Mit Krawumms treiben sie ihre Musik nach vorne, während der Sänger mit irritiertem Blick skurril erscheinende Tanz-Moves auf der Stage zum Besten gibt – in seinen Bewegungen und Blicken erscheint er wie aus dem Film „Napoleon Dynamite“ gefallen. Und wie Macklemore sich bereits zwei Tage zuvor auf der Green Stage dachte und seinen Song „Can’t Hold Us“ gleich zweimal spielte, haben Bilderbuch  keine Scheu davor ihren Song „Machine“ doppelt zu spielen – solange das Publikum tanzt, ist doch alles gut.

Auf andere Art begeistert Passenger die Massen auf der Blue Stage. Gefühlt tausend Mal bedankt sich der sympathisch-zurückhaltende Brite mit einem „Thank you, thank you, thank you very much“ beim Publikum für die Möglichkeit, in Scheeßel auftreten zu können. Als einer der wenigen hier versammelten Acts steht er ganz alleine ohne jegliche elektronische Verstärker auf der Bühne, doch schafft es mit seiner sensibel-brüchigen Stimme und seinen melancholisch-einsamen Stücken die Massen am Sonntagnachmittag anzuziehen, zu berühren und schließlich mitzureißen. Er coverte mit „Sound Of Silence“ seine Helden Simon & Garfunkel und verwandelte Aviciis „Wake Me Up“ in einen eingängigen Akustik-Track. So still und andächtig nur einem Musiker mit einer Akustikgitarre zuhörend – das taten die Festivalbesucher bei der diesjährigen Ausgabe des Festivals noch nie. Doch Passenger ist nicht nur ein einfacher Songwriter, er scheint auch einen ausgeprägten Sinn für Humor zu haben. Das bewies er spätestens, als er intime Details über die Dinge ausplauderte, die er hasst.

Nicht über hassenswerte Dinge, sondern Sachen, die sie mögen, ließen sich die Hamburger-Schule-Veteranen Tocotronic in ihrem Song „Aber hier leben, nein danke!“ aus. Sänger Dirk von Lowtzow und seine Band um Rick McPhail, Jan Müller und Arne Zank müssen nach knapp 20 Jahren als Band nicht mehr groß Werbung für sich und ihre verkopften Lyrics machen, ihre treue Fangemeinde ist immer vor Ort – auch wenn diesmal der Wind an der Red Stage Dirk von Lowtzows Stimme ins Nirgendwo wehte.

Mit ganz anderen Soundproblemen hatte später am Abend James Blake auf der selben Bühne zu kämpfen. Seine von der Stille lebende Dubstep-Musik fiel den lauten Stimmungsmachern von Fettes Brot zum Opfer, woraufhin der junge Brite sich dazu bewogen fühlte, Songs genervt abzubrechen. Die kritisierte Partei machte dabei ihren Anschuldigungen alle Ehre: Fettes Brot spielten in gewohnter Lautstärke ein fantastisches Konzert, umjubelt vom textsicheren Publikum. Zwischendrin verdroschen die Hamburger riesige Teddybären und Giraffen (auch wir waren schockiert) und warfen überdimensionale Wasserbälle in die tobende Menge. Neben Hits wie „Emanuela“ und „Lauterbach“ versuchten sie sich mit einigem Erfolg an einem neuen Song, für den sie sich die Melodie von Macklemores „Thrift Shop“ ausborgten.

Aber nicht nur James Blake nörgelte, auch die Electro-Pioniere von Moderat fragten später auf der White Stage, ob der gewaltige Sound von draußen vom Abschluss-Headliner Seeed käme. Und wie der Lärm von genau dort kam! Die elfköpfige Berliner Formation schwang Tanzbein, Trommel und Trompete und heizte dem feierwütigen Publikum kräftig ein. Zu ihren Dancehall und Reggae-Beats wurde ausgelassen gefeiert, neben bekannten Songs ( – „Wir sind SEEED, und das ist unser Gebiet, singende Caballeros auf n bombigen Beat…“) coverten sie M.I.A.s „Paper Planes“ und ließen uns zum „Harlem Shake“ abgehen. Gegen Ende performten sie außerdem einige Songs, mit denen Frontsänger Peter Fox im Sologang Erfolg hatte: „Schwarz zu Blau“ und „Alles Neu“ wurden genauso textsicher vom begeisterten Besuchern gesungen, wie das große Finale: Mit „Schüttel Deinen Speck“ wackelten die glückstrunkenen Festivalbesucher in die letzte Camping-Nacht, bevor uns heute wieder der Alltag einholen wird.

Wie sagten Bilderbuch bei ihrem Auftritt wenige Stunden zuvor: „Genießt das Festival, solange ihr jung seid und bevor ihr alt und eure Haut schrumpelig wird!“  – Na dann, auf das nächste Hurricane Festival 2015!