„Ich war 16“


Jedes dieser Bilder erzählt eine Geschichte. Nur welche? Wir haben nachgefragt. Diesmal: Andreas Dorau, der noch heute von „Fred vom Jupiter“ verfolgt wird.

Evergreens Of Psychoterror

Beim Auftritt im Jahr 1982 machte es das Projekt von Dorau und dem Maler, Objekt- und Installationskünstler Albert Oehlen dem Publikum nicht gerade einfach.

Das war meine erste Band. Links, das ist der Tontechniker. Vorne sitzt Albert Oehlen. Geprobt hatten wir nicht. Vor mir standen zwei Korg-Synthesizer, Albert fummelt an einem Tonabnehmer herum. Und dann hatten wir noch eine Nebelbombe, die irgendwann gezündet wurde – und dann sind die Leute raus. Auftrittsdauer: 15 Minuten – gefühlt allerdings wie eine Stunde. Für mich war es aber auch rund um den Auftritt herum bizarr: Das waren ja alles Erwachsene, die tranken Alkohol, rauchten, sind danach noch ausgegangen. Und ich stieg in die U-Bahn und fuhr nach Hause zu meinen Eltern.

Andreas & die Marinas

Die Mädchen aus seiner Schule singen „Fred vom Jupiter“ 1981 fast alleine, Dorau spricht nur eine Strophe. Doch er hat das Stück gemacht. Es wird ein Hit, und das hat Folgen …

Eigentlich war uns Weltraumkleidung für diese Fotoaufnahmen versprochen worden – eben wegen „Fred vom Jupiter“. Doch dann kam die Fotografin plötzlich mit dem Smoking und den Bikinis an. Die Mädchen – sie waren zwischen 13 und 15, nur drei auf dem Foto haben übrigens tatsächlich bei dem Stück mitgesungen – hatten echte Schwierigkeiten damit: Was soll das denn jetzt hier? Und ich habe mich auch ziemlich unwohl dabei gefühlt. Mir wurde dann sogar Chauvinismus vorgeworfen, von wegen der minderjährigen Mädchen in Bikinis. Ich war 16.

Der Plan

Die Proto-NDW-Band leitet das Label Ata Tak, bei dem Dorau seinen Hit erst veröffentlichen kann, nachdem er ihn außerhalb der Schule noch einmal einsingen ließ.

Ich habe damals einen Fanbesuch beim Plan gemacht, durfte bei ihnen auch übernachten. Sie kannten bereits meine erste Single, „Der lachende Papst“, und ich habe ihnen neue Sachen vorgespielt, darunter „Fred vom Jupiter“, das ich in der Schul-AG aufgenommen hatte. Es war, eben weil es für die Schule war, viel poppiger als der Krach, den ich bis dahin gemacht hatte. Sie fanden es toll und wollten es veröffentlichen. Ich musste jedoch zuerst meinen Musiklehrer um Erlaubnis fragen. Es waren Schulferien, ich fand seine Privatadresse heraus, fuhr hin und klingelte. Da erklärte er mir ziemlich schroff, dass das nicht infrage käme. Meine Mutter war Lehrerin, sie hat damals auch geglaubt, dass das Stück geistiges Eigentum der Schule sei. Heute weiß ich: Das ist totaler Schwachsinn.

Markus

Der NDW-Schlagersänger, der anfangs im ähnlichen 50er-Jahre-Schulbubenstyling wie Dorau auftrat, tourt heute noch mit „Ich will Spaß“ durch deutsche Stadthallen.

Es gab Leute, die sagten, sein erstes Albumcover sei bei mir geklaut. Und es gab sogar die Theorie, dass mich sein Majorlabel damals nur unter Vertrag nahm, um mich vom Markt zu kaufen. Tatsächlich ist meine zweite Platte dort ohne jede Promotion erschienen, und zuvor sind ihnen auch noch die Masterbänder kaputtgegangen. Bitte, wie kann denn so was passieren?! … Haben sie die aus Versehen auf die Lautsprecherbox gelegt? Und dann hieß es, die Sachen können im Radio nicht gespielt werden, weil die Tonqualität zu schlecht sei. Aber ich bin kein Verschwörungstheoretiker.

„Guten Morgen Hose“

Mit dieser Kurzoper kehrte Andreas Dorau 1985 zur Musik zurück – weitab vom Pop.

Eines Tages kriegte ich einen Anruf von Eckhart Schmidt – dem Regisseur. Er hatte eine Show, die in den dritten ARD-Programmen lief, bei der jeder Künstler 15 Minuten Zeit bekam und in diesen machen konnte, was er wollte. Ich fragte ihn: „Wirklich alles?“ Er sagte: „Ja, 15 Minuten, die kannst du gestalten.“ Also habe ich Holger Hiller (Palais Schaumburg – Anm. d. Red.) angerufen. Er war früher mein Gitarrenlehrer gewesen, mein neunter, aber auch bei ihm habe ich nie geübt, da hatte er mir seine Vierspur-Maschine gegeben: „So, jetzt mach mal Stücke!“ Holger antwortete jedenfalls: „Wir machen eine Oper. Das kriegt man hin in 15 Minuten.“ Dann gaben wir dem Sender Anweisungen. Wir wollten eine Küche, in der die Oper spielt. Der WDR war damals ein richtiger Beamtensender. Die Kamerafrauen haben dann auch erst einmal die Arbeit niedergelegt: „So einen Scheiß nehmen wir nicht auf!“ Da wurde Schmidt wütend, es gab ein riesiges Geschrei, wir wurden ins Hotel zurückgeschickt: „Gebt uns mal Zeit bis morgen.“ Und tatsächlich ging es am nächsten Tag weiter. Nun, ich würde es so formulieren: Das Produkt fand durchaus seine Bewunderer.

„Todesmelodie“

Der Titel von Doraus achtem Album erinnert an Sergio Leones Italo-Western von 1971, dem Nachfolger von „Spiel mir das Lied vom Tod“. Kein Wunder, vermutet man in dem Absolventen der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film doch einen echten Cineasten.

Den Titel hatte ich schon länger. Der Film fiel mir erst später wieder ein. Vor Kurzem habe ich eine Doku über Italo-Western gesehen, wo es auch um politische Belange in diesem Genre ging: „Todesmelodie“ ist ein klassisches Beispiel für den kommunistischen Aspekt in diesen Filmen. Meine eigene filmische Arbeit habe ich übrigens schon am Ende meiner Zeit an der Hochschule beendet. Die Regisseure, mit denen ich da zu tun hatte, würde ich zwar locker an die Wand pusten, aber meinen eigenen Ansprüchen an einen Regisseur genüge ich nicht. Außerdem: Daniel Miller (Mute-Chef – Anm. d. Red.) war ja zum Beispiel auch an einer Filmhochschule – und, weiß man irgendwas über Daniel Millers Filme?

Coverzitat

Das Cover für das Stück „Größenwahn“, das Dorau vorab zu seinem neuen Album Todesmelodien veröffentlicht hat, zitiert die Gestaltung seines Debütalbums von vor 30 Jahren.

Das ist eigentlich kein offizielles Cover, wir haben „Größenwahn“ ja einfach so in die Welt hinaus gepustet. Da es aber eine Art Lebenszeichen von mir nach längerer Zeit war, kam mir die Idee, das Cover von Blumen und Narzissen zu zitieren. Ich mag die Platte heute noch, die danach – Die Doraus und die Marinas geben offenherzige Antworten auf brennende Fragen – hingegen überhaupt nicht. Die würde ich gerne vernichtet wissen. Das liegt an der Neuen Deutschen Welle, die damals richtig losging, wodurch meine eigene Position völlig unklar wurde: Was mache ich hier überhaupt? Vor allem glaubte das Publikum, man hätte tatsächlich irgendwas mit diesen ganzen anderen Rockschlager-Interpreten zu tun, den Hubert Kahs, Markuse etc. Deshalb hatte ich auch erst einmal aufgehört, Musik zu machen – für über drei Jahre.

Klavier

In den Neunzigern begeisterte sich Dorau für elektronische Musik, seine mit Tommi Eckart (2raumwohnung) produzierten Platten waren vor allem vom House beeinflusst. Doch schon bei Ich bin der eine von uns beiden (2005) war mehr „echtes“ Instrumentarium zu hören – vor allem Klavier.

Ich bin kein großer Gitarrenfreund. Die neue Platte, Todesmelodien, habe ich zu einem großen Teil im Studio von Mense Reents (u.a. Die Goldenen Zitronen, Egoexpress – Anm. d. Red.) aufgenommen, und dort stand dieses total verstimmte Piano herum. Das habe ich mit Reißnägeln präpariert, damit es noch härter klingt. Und damit habe ich die meisten Sachen eingespielt. Das war gar nicht so einfach, weil man alles nach Gehör stimmen musste – es gab ja keinen verlässlichen Grundton. Ich habe selten so viel selbst gespielt wie auf diesem Album. Und neben dem Piano hatten wir auch noch ein echtes Schlagzeug, Posaune, Glockenspiel – deshalb klingt es recht „akustisch“.