Iggy Pop


Club-Gigs von Iggy Pop in Paris gehören zu den Dingen, die das harte Tagwerk eines Musikredakteurs ab und an ein wenig versüßen. Nicht allerdings, wenn das Konzert Punkt neun beginnt und man um 20.40 Uhr noch im Taxi vom Flughafen zum Hotel sitzt, wo die Tickets hinterlegt sein sollen. Was an sich eigentlich auch kein Grund zur Beunruhigung wäre, würden wir nicht seit zehn Minuten in einem Stau festsitzen. Während ich gerade darüber nachsinne, welche Foltermethoden für den Herrn von der Plattenfirma, der mir diesen späten Flug gebucht hat, angebracht wären, gibt sich die Kollegin vom Rundfunk, die mit mir in der Pariser Rush Hour steckt, als echte Pragmatikerin zu erkennen. „Hast du ein Telefon?“, fragt sie mich. Weil dann würde sie jetzt „den Iggy“ anrufen und ihn bitten, doch später anzufangen. Sie hat nämlich seine Handy-Nummer. Selbstbewußtsein und Sinn für Realitäten sind doch was Feines. Leider muß ich passen. Jetzt wird „der Iggy“ wohl ohne uns anfangen. Schade eigentlich. Kurz vor neun fängt Iggy’s hübsche Bekannte dann an, sich im Taxi umzuziehen („Ich gehe ja jetzt schließlich auf einen Showcase!“). Während der Fahrer mit sich kämpft, nicht ununterbrochen in den Rückspiegel zu starren, muß ich mir – politische Korrektheit hin oder her – eingestehen, ich würde ihr auch meine Handy-Nummer geben. Wenn ich denn eines hätte. Schade eigentlich. Irgendwie schaffen wir es doch noch zum ‚Gibus‘, einer Discothek in der Nähe der Oper. Es ist zehn nach neun. Aus dem Keller dröhnt es schon nach oben: „I wanna live, a little bit longer“. Die markanten Zeilen aus ‚I Wanna Live‘, dem Opener von ‚Naughty Little Doggie‘. Iggy hat ohne uns angefangen. Und wie. Nur mit einer knallengen, schwarzen Latexhose bekleidet rüttelt er gerade wie ein Geistesgestörter an den über ihm angebrachten Boxen. Die winzige Bühne ist viel zu klein, um dem asketischen Energiebündel genug Spielraum zu geben. So haben denn auch die beiden Gitarristen, Eric Mesmerize und ein gewisser „Mightey Wightey“ sowie Bassist Hai Wonderful, die allesamt aussehen, als seien sie soeben aus dem Los Angeles des Jahres 1985 angekommen (Minipli und Flying V inbegriffen), alle Mühe, den unberechenbaren Ausbrüchen ihres Chefs aus dem Weg zu gehen. Das Publikum indes ist begeistert. Der freundliche Herr zu meiner Rechten in seiner zerrissenen Lederjacke dreht gerade den dritten Joint während die Finalistin eines Cindy Crawford-Lookalike-Wettbewerbs zu meiner Linken zum wiederholten mal fordert, daß sich Iggy nun endlich auch von seiner Hose trennen solle. Der Mann, der wie kaum ein zweiter das Gesicht des Punkrock geprägt hat, wird unterdessen von einem Ordner wieder auf die Bühne gehievt. Es folgen ‚Pussy Walk‘ (ebenfalls vom aktuellen Album) und ‚I Wanna Be Your Dog‘. Daß der Sound aus der billigen Haus-Anlage nicht eben brillant ist, tut der Sache nicht den geringsten Abbruch. So ist das eben bei einem „Naughty Little Gig“. Und da dürfen natürlich Klassiker wie ‚Lust For Life‘ oder ‚Passenger‘ nicht fehlen. Eineinhalb Stunden und einige „Naughty Little Drinks“ später schließlich verläßt der 48jährige mit dem austrainierten Körper die Bühne des ‚Gibus‘. Gerüchten zufolge will der alte Mann mit den blonden Haaren im Sommer auch in Deutschland einige Club-Konzerte geben. Sollte man nicht verpassen.