Im Abseits


Aus dem Rampenlicht an den Rand der Gesellschaft: Ex-Popsängerin Cher spielt in „Die Maske“ eine Frau außerhalb aller Normen Sie war noch ein Teenager, als sie Mitte der 60er Jahre Popgeschichte machte. Zusammen mit Sonny Bono (mit dem sie von 1964 bis 1975 auch verheiratet war) landete Cher kapitale Hits wie „I Got You Babe“ oder „The Beat Goes On“. Nach mäßigen Solo-Erfolgen wäre es heute vielleicht schon ruhig um sie geworden, hätte sich Cher nicht Anfang der 80er Jahre auf eine dritte Karriere eingelassen: als Schauspielerin. In ihrem dritten Film zeigt sie sich nun in ihrer bisher besten Rolle.

Begonnen hatte die unorthodoxe Schauspiel-Karriere 1981 am Thea-‚ ter: In der Off-Broadway-Produktion „Come Back to the Five and Dime. Jimmy Dean, Jimmy Dean“ spielte sie eine der Hauptrollen Offensichtlich so gut. daß sie in Robert Altmans Verfilmung des Stückes denselben Part bekam. Und schon wenig später engagierte Mike Nichols sie für seinen Polit-Thriller „Silkwood“. Eine Oscar-Nommierung war die Folge. Nicht auszuschließen, daß ihr für die Darstellung der Rusty Dennis Ähnliches widerfährt.

Rocky, von Eric Stoltz gespielt, erklärt seiner Mutter, daß er über ihren Drogenkonsum und Lebenswandel alles andere als glücklich ist: er führt sogar mehr oder weniger den Haushalt. Denn die gutaussehende Rusty ist eine geborene Chaotin – nicht nur im Haushalt, sondern auch in ihrem Liebesleben.

Dabei hat im Grunde Rocky mit den größeren Problemen zu kämpfen: Er leidet unter einer seltenen Krankheit, in deren-Verlauf sich seine Schädelknochen ständig vergrößern und aus ihm ein Monstrum machen. Die Arzte hatten ihn gar als Kind schon aufgegeben, gaben ihm kaum eine Überlebenschance. Nicht so Rusty: Mit Liebe, aber ohne ihn zu bemitleiden, zieht Rusty ihren Sohn so“.normal“ wie möglich auf – und aus Rocky wird ein aufgeweckter, intelligenter Junge.

Schwierigkeiten gibt es dabei allerdings genug: auch das erklärt Rustys Drogenkonsum. Manchmal hält sie die Belastung nicht mehr aus. Zwar kann sie Rocky davon überzeugen, daß vor allem die innere Harmonie zählt – aber das ändert nichts daran, daß Rocky von seinen Mitmenschen geschnitten wird – jedenfalls immer so lange, bis sie erkennen, daß sie eine außergewöhnliche Persönlichkeit vor sich haben.

Verständnis finden Rocky und Rusty vor allem bei einer Gruppe von Leuten, die ebenfalls als gesellschaftliche Außenseiter disqualifiziert werden: Eine Gang von Motorrad-Rockern wird zu ihrer „Familie“.

Sie alle aber können Rocky nicht bei seinem größten Problem helfen: Mädchen. Als Rusty für ihren Sohn eine Prostituierte besorgt, reagiert er nur wütend. Doch dann, als er als Betreuer in einem Sommercamp für Blinde arbeitet, lernt er Diana (Laura Dem) kennen. Diana, die Rocky mit ihren Händen „sehen“ kann, versteht sein Anderssein, seine Gefühle, seine Verzweiflung. Und als Rocky dem blinden Mädchen beibringt, wie sie Farben empfinden kann, verliebt sie sich prompt in ihn. Rocky schwebt im siebten Himmel – aber nicht lange. Ein halbes Jahr später gibt er entmutigt auf.

Besonders für Amerika, das wie kaum ein anderes Land der oberflächlichen Schönheit huldigt, bringt „Mask“ (so der Originaltitel) eine unmißverständliche Botschaft: Sein und Schein nicht zu verwechseln.

Regisseur Peter Bogdanovich. der keinen Zweifel daran läßt, wo seine Sympathien liegen, vermittelt diese Botschaft in einem kompromißlos realistischen Stil. Besonders gegen Ende des Films aber steuert „Die Maske“ dann doch nur noch knapp an den Klippen der Sentimentalität vorbei. Kinostart: 31. Oktober ROLF THISSEN Ausnahmsweise keine Romanze mit zartschmelzendem Happy-End ist es, die in diesem Fall aus Hollywood zu uns herüberkommt: Die chaotische und drogenabhängige Rusty (Cher, R.) steht der fast unlösbaren Aufgabe gegenüber, ihrem mißbildeten und zum Tode geweihten Sohn eine gute, vor allem eine „normale“ Mutter zu sein. Unterstützung findet sie bei einer Biker-Gang (r.), die die gesellschaftlich Geächteten in ihren Kreis aufnimmt. Auch wenn der Sohn als auch die Film-Story auf dem Friedhof endet (o.), so bleibt am Ende doch ein positives Ergebnis: Daß auch ein Leben außerhalb der Norm möglich sein kann und muß.