Insel im Aufwind


Die ersten Rauchzeichen gab es schon 1997. Da schaffte es nämlich mit dem „Buena Vista Social Club“ erstmals ein Thema aus Kuba, mit dem begehrten „Grammy“ ausgezeichnet zu werden. Was zunächst als freundliche Hommage an einen exotischen Musikstil gedacht war, wuchs sich bald zum erstaunlichsten Trend des Jahrzehnts aus: Son hieß der Stil, der da aus seinem Dornröschenschlaf erwachte und vor allem in Deutschland für ausverkaufte Konzertsäle und klingende Kassen sorgte. Und weil dergleichen dennoch nicht auf MTV gespielt wird, produzierte Wim Wenders mit seiner Dokumentation „Buena Vista Social Club“ einen abendfüllenden Videoclip, dessen atmosphärische Bilder den Trend weiter anheizten.

Und es war ja auch wirklich ein modernes Märchen, das sich da erzählen ließ: Ibrahim Ferrer, Rüben Gonzäjes, Compay Segundo undtft) die anderen Vetreter der Weltruhm gewissj Schwelle zum Altershei (80) musste gar erst aus de Ruhestand zurückgelockt werden, damit die Welt seines leichtfingrigen Klavierspiels doch noch gewahr werden konnte. Es bleibt dennoch ein Treppenwitz der Weltgeschichte: Wirtschaftlich ausgeblutet durch eine jahrzehntelange Handelsblockade auf Betreiben der USA, ist es gerade die morbide Atmosphäre des geächteten Eilandes, die Kuba zu später Popularität verhilft. Kein Bericht über Kuba ohne nostalgische Hinweise auf die verfallenden Fassaden der Hauptstadt, auf der n Gonzales verdienten „liebevoll“ restaurierte Oldtimer und die naive, ja „ansteckende“ Lebensfreude der Eingeborenen -jetzt, da das sozialistische Experiment auf der Insel am Ende ist, lässt sich im beheizten Kinosaal guten Gewissens sein Zerfall beseufzen. „Wir haben zu lange nicht im Ausland gespielt , klagte Rüben Gonzales im Juli gegenüber ME-Sounds,“aber daran war die Politik schuld, nicht die Musik!“. Immerhin waren es die Amerikaner Ry Cooder (Weltreisender in Sachen Musik), sein Toningenieur Jerry Boys und Nick Gold, seines Zeichens Chef des World-Circuit-Labels, die den Son aus seinem Mauerblümchendasein erlösten. So wurden dessen Protagonisten auf ihren Tourneen bewundert wie Reptilien aus längst vergangenen Zeiten, wie erstaunlich lebendige Relikte einer versinkenden Welt. Doch der leicht morbiden Verehrung steht eine Musik gegenüber, die an Nonchalance und verklärter Heiterkeit tatsächlich kaum noch zu übertreffen ist. Wie sagte Ibrahim Ferrer? „Die Jungen können das nicht kopieren. Sie spüren es einfach nicht.“

Vielleicht spüren sie aber, dass etwas fehlt und vergöttern wie beweinen im Son ihre eigene verlorene Unschuld.