„Instagram wird auf dem Friedhof der Internetplattformen landen“: Sveamaus im Porträt
„Image“, ein Buch wie ein Fiebertraum. Linus Volkmann hat die Meme-Artistin Sveamaus zum Interview getroffen.

Sveamaus schickt unzählige schräge Romanfiguren durch eine schlecht belüftete Hölle. Lustiger als in „Image“ wird es vielleicht nie wieder. Eine Buchbesprechung, ein Interview.
Man kennt es doch, es ist ein fast schon banaler Auswuchs der Jetztzeit: Irgendwelche grellen Meme-Accounts werden in den eigenen Newsfeed gespült, mitunter bist Du begeistert, hältst sie fest, vielleicht wirst Du irgendwie richtig Fan. Doch bevor es wirklich etwas Festes werden kann, verschwinden diese Accounts mit den seltsamen Namen auch wieder aus dem eigenen Sichtfeld, implodieren oder öden einen auf Strecke dann doch an. Ende 2022 war ich allerdings dermaßen in love mit dem Content von Sveamaus, dass ich versuchte, mit dieser ominösen Person dahinter (vielleicht waren es ja auch mehrere?) Kontakt aufzunehmen. Dass dies wirklich gelang, hat mich damals ernsthaft überrascht. Selbst der crazy Internet-Name – Sveamaus – entpuppte sich als tragfähiger Anker in die echte Welt: Die Künstlerin, die Bilder mit Pointen versetzt, heißt in Wahrheit und im Telefonbuch Svea Mausolf. Nanu!
Die Faszination der Memes von Sveamaus sei an dieser Stelle nicht expliziert. Ihr habt alle Internet und garantiert bereits eine sehr gute Vorstellung davon, warum @Sveamaus einen aufregenden Humor-Kanal darstellt. Für alle Spätgeborenen und meine Eltern an dieser Stelle trotzdem ein paar Memes von ihr. Seht selbst.


Sveamaus befehligt eine postmoderne Geisterbahn und hat mit „Image“ jetzt auch noch einen der unterhaltsamsten Romane der Dekade geschrieben. Um letzteren soll es hier nun gehen. Denn den kann man sich nicht einfach in seinen Feed fallen lassen wie einen nassen Apfel, den muss man sich schon irgendwie in echt besorgen.

Als ich „Image“ in den Händen hielt, fühlte es sich tatsächlich erstmal etwas fremd an. Bei ihrem Abreißkalender fürs Büro, „Ja Chef bin dran“, hatte sie die digitalen Jokes einfach Papier werden lassen. Wertstabil und folgerichtig. Aber jetzt … ein echtes Buch? Kann die Wahl-Kölnerin denn tatsächlich auch schreiben? Immerhin passt auf Memes selten mehr als ein (Halb-)Satz, nicht gerade viel. Das Ganze ist dann auch keine Kurzgeschichtensammlung, sondern gleich der Roman geworden – daran haben sich schon einige kontemporäre Social-Media-Stars verhoben (Liste sende ich auf Anfrage / via toter Briefkasten). Doch „Image“ schreckt diese Fallhöhe überhaupt nicht, im Gegenteil …
Ich wollte schon lange Mal eine Buchreview schreiben, jetzt scheint mir der Zeitpunkt gekommen. Literaturkritiker – mein neues Leben XXL!
Svea Mausolf
„Image“
(Gutkind Verlag)
Die Protagonistin des Buchs ist Peggy Brinkmann, eine handlungsverzögerte, ziemlich verzweifelte Bummelstudentin, die ihrer letzten Loverin hinterherseufzt und so sehr in Geldsorgen steckt, dass sie einen schmierigen Pick-Up-Artist, der sich selbst als Feminist labelt, als Untermieter am Hals beziehungsweise in der Wohnung hat. So weit, so überschaubar. Doch Mausolf fächert das Personal ihrer Geschichte schnell auf. Multiperspektivisch schlüpfen wir in alle möglichen Hauptfiguren, genauso wie aber auch in Neben-, ja Randfiguren. „Image“ wird dadurch zum Facettenauge und bringt uns unablässig immer neue arme Seelen nahe. Alle struggeln, viele sind dehydriert, am Rande des Nervenzusammenbruchs, aber immer auch liebenswert. Manchmal zumindest. Nachdem man ein wenig in der Welt des Romans herumgeführt wurde, tauchen Konflikte und Verwicklungen auf und werden zum Schluss dermaßen kunstvoll wie pointiert zusammengeführt, dass man kaum glauben kann, hier in dem Debütroman eines Internet-Phänomens zu stecken. Doch auch wer über den toxischen Meme-Glamour von Sveamaus in dieses Buch findet, wird großzügiger belohnt als bei einer Novoline-Glückssträhne. Denn das Figureninventar speist sich spürbar aus der beliebten @sveamaus-Instawelt: Hygienisch herausgeforderte Hippies, egozentrische Eltern, verhaltensauffällige ÖPNV-Insassen – dazu noch lustvoll auserzählte Einrichtungsentgleisungen (mit Neunziger-Drall). Dieses Buch zu lesen, fühlt sich an, als wäre man via Virtual-Reality-Brille in einem Sveamaus-Meme gelandet. Es müffelt, menschelt und hakt an allen Ecken. Man weiß gar nicht, wo man zuerst entsetzt und fasziniert hinschauen soll. Mausolf ging es beim Schreiben offenbar ähnlich. Endlich konnte sie ihre hilarious Kurzgags zu einem vielköpfigen Epos werden lassen. Es hat sich einiges angestaut, merkt man sofort. Sicher hätte man auch ahnen können, dass Mausolf es drauf hat. Mit der Vehemenz, wie das Buch fesselt, habe aber zumindest ich jetzt auch nicht gerechnet. Das hier besitzt die Kraft von Strunks Debüts „Fleisch ist mein Gemüse“. Nur ist „Image“ eben eine Chronistin des Hier und Jetzt – und strotzt bloß so vor aktueller Welthaltigkeit. Spoiler: Zum Schluss kommt eine zentrale Figur in der Geschichte um. Spätestens da gerät das Buch auch noch zu einem äußerst befriedigenden „Revenge-Porn“…


Sveamaus im Interview: „Das schaffe man sowieso nicht“
Vom Meme zum Roman – die Herangehensweise unterscheidet sich doch deutlich. Fiel es Dir schwer, zwischen den Formaten zu wechseln?
SVEAMAUS: Von Memes zum Buch zu gehen, das empfand ich als gar nicht so problematisch – aber wer weiß, vielleicht wird der Weg zurück schwieriger … Dass es ein anderes Arbeiten wird, war mir jedenfalls bewusst. Es unterschied sich für mich eher im Rückfluss. Wenn man auf Instagram Slides raushaut, bekommt man ja direkt Resonanz. Dieser Kanal fehlt natürlich bei der Arbeit an einem größeren Text. Da ist man alleine mit seinem Material und es beginnt zu brodeln: „Ist das hier jetzt wirklich so geil?“ Das muss man mit sich selbst ausmachen oder erstmal beiseiteschieben. Man bekommt nicht, wie sonst, sofort sein Dopamin ausgeschüttet und dass ich danach auch ein bisschen süchtig geworden war, kann ich nicht von der Hand weisen. Allerdings hat es mir auch großes Vergnügen bereitet, über die Kurzform hinauszuschauen und einen Witz über mehrere Seiten zu plotten, ihn so richtig auszustaffieren, mit einem Spannungsbogen zu versehen, herauszögern – bis zum Peitschenknall.
Gab es im Prozess Feedback von deinem Verlag?
Ja, für den war das auch ein Risiko, mit jemand zu arbeiten, bei der man nicht weiß, ob das alles auch in der Langform trägt. Wir hatten uns daher darauf geeinigt, dass ich sukzessive immer Kapitel schicke. Ich muss sagen, das hat mich als Künstlerin viel Überwindung gekostet. Das fertige Produkt zeigt man gern, aber sich in den Prozess schauen zu lassen war schon ein krasses Sich-Nackt-Machen. Das musste ich mich erstmal trauen an einem Punkt, an dem ich selbst noch nicht genau wusste, wohin die Reise geht. Denn ich hatte ja kein vorbereitetes Manuskript in der Schublade liegen. Durch meine Erfahrungen in der bildenden Kunst habe ich mir geschworen, nie mehr unentgeltlich zu arbeiten. Deswegen habe ich auch erst mit der Unterzeichnung des Vertrags begonnen, mich auf den Roman einzulassen.
Dein Buch organisiert eine Vielzahl von Figuren, wirkt dabei aber sehr sicher erzählt – nie hat man das Gefühl, dass du deine Story nicht mehr einfangen kannst. Hattest Du schon Schreiberfahrung?
Nicht so wirklich. Ich habe in der Schule gerne geschrieben – und wenn die Aufgabe lautete „Aufsatz schreiben“, empfand ich das immer eher schön als schrecklich. Ich hatte auch später durchaus journalistische Ambitionen, doch da kriegt man natürlich genauso, wie wenn man Kunst studiert und nicht aus reichem Elternhaus kommt, gesagt, das sei brotlos, das schaffe man sowieso nicht.
Du hast dich dann aber trotzdem für so ein künstlerisches Studium entschieden.
Fotografie, ja. Als eine Art Kompromiss, denn damit hätte ich wenigstens noch Tatort-Fotografin werden können. So habe ich es zumindest meinem Polizeivater schmackhaft gemacht. Das Schreiben jedenfalls besaß etwas sehr Fernes, da war immer dieser Beigeschmack: Schafft man nicht. Deswegen blieb das bislang immer nur eine Sidequest.
Bei etlichen Szenen und Figuren bekommt man das Gefühl, das könnte jetzt auch eines deiner Memes sein, das aus dem eindimensionalen Format ausbricht und zu einer Story wächst. Welche Rolle spielen die Memes für den Roman?
Memes besitzen eine eigene Mechanik des Geschichtenerzählens. Dinge werden darin zu Klischees, die es ermöglichen, sich und andere in Figuren zu erkennen. Es ist also auch eine Art Schablone. Ein Typus Mensch, der ja immer wieder auch in den meinen Memes auftaucht, ist zum Beispiel die Romanfigur Martin. Paradebeispiel Arschloch, an solchen Leuten habe ich mich schon viel abgearbeitet. Also ein Typ, der sich Feminist schimpft, trotzdem aber extrem frauenfeindlich ist und diese Zuschreibung letztlich nur als Jagdtechnik benutzt, um so viele Frauen wie möglich in seine Fänge zu kriegen. So jemand findet sich immer wieder in meinen Memes, aber bleibt letztlich nur oberflächliches Bild. Dahinter stecken aber auch Geschichten und die lassen sich in dem Roman jetzt erzählen.
Dein Instagram-Fame basiert aber noch auf den Memes – also statischen Bildern. Wie erlebst du es, dass die Plattform mittlerweile alles eher zu Bewegtbild schieben will? Tangiert dich das?
Ich halte momentan immer noch meine Zahlen auf Instagram, was mich selbst überrascht. Schließlich bekomme ich auch mit, dass viele der Ansicht sind, der Algorithmus sei schon längst zu Reels übergewechselt und das viereckige Bild sei nichts mehr wert. Ich kann das zum Glück nicht bestätigen, mein Account hat weiterhin ein konstantes Wachstum. Ich scheine mit meiner Sturheit den Algorithmus bezwungen zu haben. [lacht] Für mich ist es eher ein Problem, was sonst mit der Plattform so passiert. Spätestens als Mark Zuckerberg sein beschissenes Video gepostet hat, in dem er seine Machismen für Meta postuliert, ist auch mir die Kotze hochgekommen. Das ist am Ende ja auch ein Milliardär, den ich am liebsten auf die Guillotine setzen würde und ich habe mit Schrecken beobachtet, wie groß der Wunsch war, von dort abzuwandern. Dann dachte ich aber, das beschäftigt die Leute jetzt zwei Wochen und am Ende bleiben sie trotzdem – für solche Gedanken schäme ich mich natürlich. Aber an meinem Account hängt gerade auch meine wirtschaftliche Existenz. Zuletzt habe ich gelesen von dem Begriff „Digitaler Feudalismus“ – und mich sehr darin wiedergefunden. Ich besitze jetzt ein virtuelles Stück Land, gepachtet von Zuckerberg – und natürlich will ich es weiter bestellen. Daher habe ich dieses Jahr erstmal nur gehofft, dass auf Instagram alles nicht noch unerträglicher wird – zumindest nicht bis mein Buch rauskommt. In was für Abhängigkeiten man da geraten ist … und noch bin ich beschämenderweise zu egoistisch, um mich einfach rauszuziehen, auch wenn ich mich als links betrachte und es mir um Umverteilung geht, Scheißsituation. Das sind jedenfalls gerade Konflikte, die ich in mir austrage. Aber man sollte sich immer im Klaren darüber sein, dass auch Instagram irgendwann auf dem Friedhof der Internetplattformen landen wird.
> Weitere O-Töne von Sveamaus, dem Humor-Guru der Jetztzeit? In der nächsten Print-Ausgabe des Musikexpress öffnet die hochinteressante Wahl-Kölnerin ihren Plattenschrank und stellt eine kommentierte Liste ihrer zehn liebsten Alben vor. Noch mehr über sich selbst und die Arbeit an dem Debüt-Roman „Image“ erzählt sie uns Menschen dann in der Sommerausgabe des L-Mag.
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