Interview: John Lennon


Das lang verschollene Interview: Am Vorabend der Veröffentlichung von 'Abbey Road' spricht John Lennon mit dem britischen Journalisten Miles über Frieden, Frauen und die Fab Four.

September 1969. Zwei Tage bevor das legendäre ‚Abbey Road‘-Album der Beatles in die Läden kommt, empfangen John Lennon und Yoko Ono in den edlen Büroräumen des ‚Apple‘-Gebäudes in der Londoner Savile Row den renommierten Musikjournalisten und Beatles-Intimus Miles zum Interview für das Underground-Magazin ‚OZ‘. Wenige Tage vorher hat John Lennon die Beatles verlassen – was auf den ausdrücklichen Wunsch der Band vorerst geheimgehalten wird. Lennon erweist sich als loyal und hält die Fiktion aufrecht, daß die Beatles als Band weiterhin bestehen und redet munter über die Musik der Fab Four.

Laß‘ uns über euer neues Album ‚Abbey Road‘ reden. Bedeutet der Song ‚Come Together‘ für dich, daß du jetzt stärker in den Underground eingebunden bist?

Ich kenne den Underground nicht – ich glaube nicht, daß es den gibt. Timothy Leary bat mich, einen Song für seinen Wahlkampf zu schreiben. Und der Slogan seines Wahlkampfes war „Come Together“. Aber der Song ist nicht geeignet für den Wahlkampf – und so wurde er wie er ist, ein funky-Rock-Ding. Ich hab ’nen anderen Song für Leary.

‚Somethmg‘?

Nein, der ist von George. Ein großartiger Song, denke ich. Wird möglicherweise eine Single in den Staaten. Wenn ich ‚Come Together‘ auf die Rückseite kriege, bin ich sehr zufrieden. Auf die Art kann ich den Song hören, ohne das ganze Album anhören zu müssen. ‚Maxwell’s Silver Hammer‘? Ist von Paul. Wir schreiben seit zwei Jahren keine Songs mehr zusammen. Wir helfen uns nur noch ein bißchen.

Was bedeutet das für dich?

Es macht keinen Unterschied, wer die Songs schreibt. Wenn’s die Beatles spielen, ist es Beatles-Musik. Zusammen zu komponieren machte nur Sinn, als wir auf Tour waren. Danach lief es schief. „Komm rüber in mein Haus und wir machen ein paar Songs“ – so kann das nicht funktionieren.

Inwieweit, glaubst du, hat dich Yoko beeinflußt?

Eine ganze Menge. Sie ist jetzt 50 Prozent von mir.

Yoko: Wir beeinflussen uns gegenseitig.

Wo liegt der Unterschied zwischen dem, was du für die Beatles und für dein Soloalbum…

…ich schreibe nicht für die Beatles, ich schreibe für mich selbst. Also ich bin immer von dem beeinflußt, was gerade so los ist. Ich bin verliebt – das ist alles. Jedesmal, wenn ich Gitarre spiele, singe ich über Yoko, das ist mein Einfluß. Ich bin ganz offenbar von ihren Ideen beeinflußt und ihrer Herkunft, der sogenannten Avantgarde oder dem Underground oder was das für eine Herkunft ist. She came in through the bathroom window – sie stärkt den Freak in mir.

Und wie wirkt sich das auf die Beatles aus?

Das mußt du wohl die Beatles fragen.

Als ein Viertel von ihnen…

Ich kann nicht sagen, wie das wirkt – ich weiß nur, daß es ganz augenscheinlich seine Wirkung hatte, als ich Yoko und als Paul seine Linda heiratete. Alles hat seine Wirkunr auf die Beatles.

Das, was du zur Zeit tust scheint dir augenscheinlich noch keine Inhalte für neue Songs gegeben zu haben…

Worüber soll ich denn singen? Auf ‚Abbey Road‘ singe ich über ‚Mean Mr. Mustard‘ und ‚Polythene Pam‘ . Aber das ist alter Mist, den ich in Indien geschrieben habe und mit dem ich abgeschlossen habe. Aber wenn ich ehrlich bin, interessieren mich nur Yoko und der Frieden. Und wenn ich wieder und wieder und wieder über sie singen kann, ist das so, als ob ich ein Maler bin, der gerade seine blaue Periode durchmacht.

Also ist die mittlere Periode der Beatles vorbei, diese wirklich komplexe…

…ich glaube, daß ein einzelner Ton so komplex ist wie alles andere. Aber ich kann nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, das allen Musikkritikern zu erklären, die verwickelte Harmonien, klangliche Kadenzen und all diesen Scheiß‘ haben wollen. Ich bin da eher einfach strukturiert, und deshalb interessiert mich das nicht. Es war ziemlich schmeichelhaft, die ganze Zeit all diesen Mist über die Beatles zu hören. Aber Paul sagte schon 1962: „Wir werden mit einem Ein-Ton-Pop-Song aufhören.“ Ich halte mich selbst für einen ziemlich ursprünglichen Musiker, weil ich nie Musik studiert habe. Manchmal ist es ärgerlich, keine Noten aufs Papier bringen zu können. Dadurch habe ich einen Haufen Musik einfach verloren. Es ist nämlich ein riesiger, komplizierter Prozeß, eine Melodie zu behalten. Aber wenn wir Noten schreiben könnten, würde das zu anderen Verlusten führen.

Auf ‚Abbey Road‘ geht ihr zu frühen Rock-Sachen zurück.

Wir hatten immer so was wie ‚Lady Madonna‘ und ‚Day Tripper‘. Wir sind nie davon weggekommen. Es gibt kein Beatles-Album ohne irgendwelchen Rock’n’Roll drauf, oder?

Du sagst, daß du nicht intellektuell wirken willst. Aber die meisten Leute glauben, daß du erst mit solchen Aktionen wie den Bed-Ins damit begonnen hast, intellektuell zu werden. Und deshalb können Sie dich nicht ganz verstehen.

Aber ich habe nicht begonnen, herumzuintellektualisieren. Alles, was ich tue, ist – wortwörtlich – in einen Schlafsack zu schlüpfen.

Und das war’s? Vergeßt es?

Ja, das Ende der expenence.

Mit den Kampagnen für den Frieden habt ihr definitiv versucht, etwas zu erreichen.

Hauptsächlich geht es uns darum, die Welt ein klein wenig zu verändern. Aber wie? Da sind wir auf die Idee gekommen, so lange im Bett zu bleiben, bis sich eine Lösung gefunden hätte – das war die beste Tätigkeit für uns Zwei.

Wie erfolgreich waren solche Aktionen wie ‚Bed-Peace‘?

Millionen von Fotos und Berichten gehen jetzt um die ganze Welt. Einige davon geben genau das wieder, was wir mit den Aktionen ausdrücken wollten. Das Mantra des Wortes funktioniert. Das heißt: Wann immer die Presse bei uns war, ist das Wort „Peace“ gefallen. Ich denke, das ist ziemlich subtil, eine Art – wie nennt man das in der Werbung? – unterschwellige Botschaft. Wir bekommen jetzt unser Feedback aus Briefen und ganz allgemein aus den Zeitungen. Und das ist wirklich alles, worauf wir hoffen können: Verbreitung. Bei jeder Gartenparty in diesem Sommer in England, überall, in jedem kleinen Ort, waren die Gewinnerpaare die Kinder, die John und Yoko im Bett spielten.

Du scheinst dich in letzter Zeit ganz schön verändert zu haben, oder nicht?

Seit wann denn?

Seit ‚Sgt. Pepper‘ etwa.

Oh ja, ganz sicher. Ich bin mehr ich selbst als damals, weil Yoko mir Sicherheit gibt. Ich fühle mich sicher in meiner Beziehung zu ihr und kann mich entspannen. Ich war noch nie in meinem Leben so relaxed.