J. J. CALE- SUPERCOOL?


Es gibt Rockmusiker, die mehr Lorbeeren einheimsen, als sie verdienen, solche, die ihr Leben lang keine ernten und solche, denen sie völlig schnuppe sind. Zur letzten Spezies gehört J. J. Cale. Vor zwei/drei Jahren noch ein reiner Insider-Geheimtip, ist er mittlerweile ohne sein Zutun in den Status eines Rock-Heroen erhoben worden. Mit solchem Druck auf den Schultern sahen er oder seine Manager sich nun genötigt, eine Deutschland-Tournee zu absolvieren. J. J. Cale erledigte, was ihm aufgetragen wurde, mit unverholenem Mißfallen. Zumindest sein Hamburger Auftritt legt diesen Schluß nahe.

Dabei fing der Abend so gut an: Im Vorprogramm trat Neil Landon mit ausnahmslos guten Musikern auf. Neil Landon hatte vor etlichen Jahren mal eine Gruppe, die sich Fat Mattress nannte. Eine Gruppe, die außerhalb ihrer Plattenfirma kaum jemandem ein Begriff war. Neil war gelöst, spielte das Repertoire seiner beiden LPs, legte einen wirklich witzigen Strip hin und ließ auch Gitarrist Alex Conti Raum für glänzendes Spiel.

Doch nun zum Haupt-Act des Abends: J. J. Cale betritt mit unbewegtem Gesichtsausdruck die Bühne, soweit alles in Ordnung, niemand im Publikum erwartet einen heiteren, spritzigen Cale. Zu eindeutig haben ihn die Medien bereits als den „großen Schweiger“ aus TuLsa/ Oklahoma oder das unnahbare Rauhbein abgestempelt, das neben seiner Musik keinen anderen Lebensinhalt sieht. Doch dann kommt der erste Titel des Abends „Call Me The Breeze , und die Fans toben schon bei den ersten Akkorden, eine zur Mode gewordene Unart bei Rockkonzerten, die einzig dazu dient, des Zuhörers ausgefeilte Kenntnis zu dokumentieren. Man erkennt einen Titel nach den ersten Tönen und beweist damit sein Spezialistentum, nur – neuerdings sitzen nur noch Spezialisten in den Sälen. Obwohl von Mr. Cales Gesang so gut wie nichts auszumachen ist, wird er am Ende frenetisch bejubelt. Offensichtlich hat die Anlage empfindliche Macken, was der ohnehin schon sehr reservierten Haltung des großen Meisters das I-Tüpfelchen aufsetzt und ihn vollends verstimmt. Ein einziges Mal läßt er sich, abgesehen vom Gesangsteil, dazu herab, den Mund zum Sprechen zu öffnen, als er seine Mannschaft vorstellt. Trotzdem muß der Cale-Fan, will er etwas über die Besetzung wissen, ein Platten-Cover zu Hilfe nehmen, Cales Ausführungen zu dem Thema sind für unsere Ohren nicht verständlich. Chinesisch ist uns Deutschen weitaus geläufiger als Cales Amerikanisch.

In der Art etwa geht es dann durch das bekannte Repertoire, „After Midnight“ am Ende ist so etwas wie der Superhit, der dementsprechend sogar mit Sonder-Applaus bedacht wird. Und nun nuschelt „J. J.“ etwas ins Mikrofon, was nur „Good Night!“ gewesen sein kann, weil er nämlich gleich darauf die Gitarre zur Seite legt, samt seinen Mannen den Ort des müden Geschehens verläßt und nicht mehr gesehen wird.

Die Stimmung in der Musikhalle schlägt augenblicklich um: Die knapp achtzehnhundert Kenner, die bei den ersten Cale-Lauten begeistert klatschten und trotz miesester Ton-Qualität trotzig zu ihrem Guru hielten, pfeifen, brüllen und schimpfen nun. „Arroganter Vogel, ist wohl was Besseres, daß er sich für eine Zugabe zu schade ist!“ entrüstet sich jemand neben mir.

Seltsam, dabei war gerade etwas in der Art vom „großen Schweiger“ zu erwarten, zu dessen Image es gehört, sich weder um Plattenbosse noch Fans zu scheren und dessen Image allein viele der Besucher in die Musikhalle gelockt hat, mehr als Cales Musik.

Ein totaler Reinfall also? Kann man nicht sagen. Es bleiben J. J. Cales großartiges Gitarrenspiel und die unbestrittene Qualität seiner Songs. Nur sollte man ihn nicht auf große Bühnen schicken, er ist am besten auf seinen Platten, die allesamt aus der Pop-Masse herausragen, und wenn Cale „live“, dann in einer kleinen Pinte mitten in Oklahoma, wo die Menschen bekanntlich schweigen – dort fühlt ei sich wohl.