Jacke wie Hose


Kein Rummel ohne Fummel. Sie reisen nie ohne eine stattliche Zahl von Schrankkoffern voll Klamotten, kurbeln den Plattenverkauf mit ihren Outfits an und setzen mit ihrer mediengerechten Modenschau nicht selten optische Duftmarken, an denen sich die Schneider des Volkes orientieren und schließlich als Star-Verschnitte in den Kaufhäusern landen. Doch bestehen die teuren Stoffe der Stars auch vor dem kritischen Blick fachkundiger Augen?

ME/Sounds fragte fünf Mode-Menschen, die es wissen müssen. Jacke wie Hose, Madonna wie Elton John — fast alle fielen beim Test durch.

CAMPINO: Michael hat genau das an. was ich als Einheits-Look für Otto Normalverbraucher im Jahr 2000 sehen würde: eine unauffällige Mütze in Kombination mit gemustertem Samt und aufwendigen Stickereien auf Ärmeln und Hosen. Bravo! V. HATZFELD: Modell Modeste: Ein Brokat Ensemble, das durch seine Bescheidenheit besticht. So würden wir unseren Bundeskanzler gerne sehen! MAGO: Wo ist dieses Foto her?

Aus den Bewerbungsunterlagen zum Oberbürgermeister von Disneyland? Ein humorvolles Augenzwinkern würde das Krönchen des Würdenträgers bestimmt nicht verrutschen lassen, aber vielleicht ein paar Nähte zum Platzen bringen — nicht am Wams, im Gesicht! MEIER: Die Ikone gibt sich standesgemäß, und irgendwo quakt Donald Duck. V. SINNEN: So laufe ich zuhause auch immer nun. Klasse!

CAMPINO: Das traditionelle Pat & Patachon-Kostüm. Den Gesichtern nach zu urteilen, scheint ihnen ihr eigener Kostümball nur wenig Spaß zu machen.

V. HATZFELD: Greift Angels: New Look für Pastoren, Barkeeper und andere Vertrauensmänner. Die sensible Farbabstimmung verleiht Seriosität, verrät aber doch ein warmes Herz und goldenen Humor.

MAGO: Das Outfit wirkt einfach nicht lächerlich, weil die Haltung stimmt — englischer Humor macht’s möglich.

MEIER: „Precision in smartness“: ausgewogen, erfinderisch und schlau. Les deux barbus feront le jeu.

V. SINNEN: Diese Business-Pat & Patachon-Outfits sind auf den Punkt!

CAMPINO: Sein Outfit lebt von der braunen Hintergrund-Tapete, die diesem Bild noch das meiste Leben einhaucht.

V. HATZFELD: Perlmuttchens bengalischer Ikonen-Mix. Erstaunlich, was man alles unter einen Hut bringen kann.

MAGO: Boy George tut seit Jahren für beide Geschlechter ’ne Menge: Die Mädels holen sich bei ihm Schminktips und die Jungs trauen sich auch mal an den Kleiderschrank der Freundin. Wer ihm das übernimmt, hat das Thema „Evolution“ im Biounterricht verschlafen. MEIER: Der systematische Exzentriker erfindet seinen Batik-Traum. V. SINNEN: Ich bin froh, daß ich die 70er Jahre hinter mir habe und mir nicht mehr Jesus lebt“ auf die Unterarme schmiere — deshalb überzeugt mich Boy George in dieser Saison ausnahmsweise nicht.

CAMPINO: Sie zeigt sich in einem Luxus-Satin-Mieder mit kegelförmig abgesteppten Titten-Gehäusen. Im mausgrauen Drillich würde sie mir besser gefallen.

V. HATZFELD: Origineller Aufbewahrungsort für Chinesen-Hüte. Vorsicht, hält nicht bei jeder!

MAGO: Zweifellos das gelungenste Outfit aus der Gaultier-Serie. Leider gut zu sehen die Slipeinlage mit wiederverschließbarem Klebebändchen.

MEIER: Predictable futurism, bis zur bitteren Neige.

V. SINNEN: Madonna und Gaultier ist wie Hella und Hazy — ich bin begeistert!

CAMPINO: Er führt hier eine echte Rarität vor: Er trägt die letzte Jacke, die im Kunstleder-Kombinat Gera bestellt und produziert wurde. Kein Wunder, daß diese Fabrik letztes Jahr über Nacht geschlossen wurde. V. HATZFELD: Sag niemals nie Androgynie — die Ledermannsjacke mit Samtpfötchenwams und Hang over Beethoven-Kette sorgt geschlechterdings immer für neugierige Blicke. MAGO: Der Junge hat Stil, Kompliment. Geht bis an die Grenze der Verkleidung, bleibt aber glaubwürdig. MEIER: Seal nimmt’s Leder, aber bitte nicht zu knapp. V. SINNEN: Zeitlos klassisch.

CAMPINO: Er trägt einen schlichten Goldbrokat-Anzug, passend zu dem goldenen Wanderpokal, den er mit sich herumschleppt. Den Anzug hätte ich auch gerne, er eignet sich hervorragend zum Autowaschen (wasserabweisend, schmutzunempfindlich).

V. HATZFELD: Völlig verunzt! MAGO: Würde sich ein nationaler Künstler in diesem „Der kleine Muck“-Outfit auf die Bühne wagen, würde man ihn höchstens mit Sarotti-Tafeln bewerfen. Bei einem internationalen Act wird so was kommentarlos bis huldigend hingenommen. Allerdings hat sein „MC Hammer“ Bewegungsfreiheit bis zur Wade, falls dies nötig sein sollte.

MEIER: „Glitter Rap“, verrät die Vorstadt. V. SINNEN: MC Hammer: Das New Romantic-Ourfit an sich hat man ja wohl nicht mehr?! Dazu diese Loddel-Accessoires. Selbst die Statue ist overdressed.

CAMPINO: Er hat es sich für meinen Geschmack ein bißchen zu einfach gemacht. Hemd und Hose hat ihm wohl seine geschiedene Frau noch gekauft. Mütze und Uhr gab’s als Geschenk beim Kauf von drei Pfund Tschibo-Kaffee. V. HATZFELD: Schott El Arab – ein Modell, das überall da kaschiert, wo zuviel oder zuwenig ist. Männer sehen nach was aus, auch wenn sie die ganze Nacht durchgebommelt haben. MAGO: Nein, das Mützchen stört mich nicht, aber was ich darunter sehe. Er hält’s für Coolness — ich für Sodbrennen. Kein Sexappeal im sauren Bereich. MEIER: Durchs weite Grün Nordschottlands kriecht der Rolex-Barde zurück ins Whisky-Glas. V. SINNEN: Bei dem Namen würde ich auch im Matrosenhemd rumlaufen, aber bitte rasiert!

CAMPINO: Typischer John Lennon-Look. Reine Merino-Schurwolle hält ihn schön warm und verführt die Frauen zum Ankuscheln. V. HATZFELD: SchJicht, klassisch, kleidsam. Ein Pullover mit effektvoller Rundschulter-Betonung. Praktisch: Läßt sich mit T-Shirts immer wieder neu kombinieren. MAGO: Huch, hab“ ich was verpaßt? Geht der Trend jetzt zum biologisch abbaubaren Bühnen-Outfit?

MEIER: Lieschen Müller grüßt alle Heimwerker dieser Welt: Mensch, mach doch die Hose runter jetzt.

V. SINNEN: Kann leider nicht auf Details eingehen, da ich nach diesem Rollenstudium sofort einen pantomimischen Herpes bekommen habe!

CAMPINO: Er hat denselben Designer wie wir, von daher bin ich voreingenommen. Schade, daß das Jackett nur von vorne abgebildet ist, denn auf dem Rücken ist eine farbenfrohe Applikation mit der Aufschrift „Schieß doch, Bulle!“ zu sehen. V. HATZFELD: Clowny weather — zur dropsfarbenen Hose gehört unbedingt ein bedröppeltes Lächeln sowie Elton-John-Brille (täuschend ähnlich, nicht?) und Komposthütchen. MAGO: Im Fashion-Edict von Thierry Mugler würde dieses Sacco mit schwarzem Rolli und Steghose getragen. Eine Persönlichkeit wie Elton mixt alles fröhlich, wie ein Kind im Farbkasten. MEIER: After every change of style, back at Carnaby Street.

V. SINNEN: Die Hose könnte aus meinem Kleiderschrank sein. Das Jacket nebst Pulli ist scheußlich, die Brille ist schlicht zu schJicht und der Hut unvorteilhaft in Form und Farbe.

CAMPINO: Ein schlichtes Uni-Jackett mit einer auffällig modernen Chinchilla-Pelzmütze. Schade daß sie die Mütze verkehrt herum aufgesetzt hat.

V. HATZFELD: Sie trägt nichts als einen Trench und ein Lächeln. Wetten? MAGO: Nee, ich schimpf nicht über die Frisur, jeder wird mal ungünstig fotografiert. Ihr hättet ja auch das Foto nehmen können, auf dem Frisur und Figur toll aussehen — aber da hätten wir nichts zu lästern, gell?

MEIER: Sophisticated lady, kennt die Adressen von Paris.

V. SINNEN: Outfit?

CAMPINO: Primitiv geschnittene Trachtenwesten, aus demselben Stoff geschustert, mit dem Omas Matratzen bezogen sind. Hüte aus Kernevals-Filz, einfache Ausführung. Trotz allem ein Modell, das vor allem im Osten Deutschlands trendsetzend sein dürfte. V. HATZFELD: Knuddelbärchen im Trachtenwämschen mit Bällchen und Hütchen, ach, da schlagen Frauenherzen im Dreivierteltakt! MAGO: Was diese Jungs haben, geht den meisten deutschen Musikern ab: Sie können über sich selbst lachen. Haben Figuren wie singende Medizinbälle, nennen sich Herzbuben, setzen sich kleine Hütchen auf den Kopf und prunken in prächtigen Trachtenzelten. MEIER: Stilsichere Folklore, ab zur Kaffeefahrt. V. SINNEN: Das ist der Beweis: Querstreifen machen doch nicht dick! Danke!

CAMPINO: Axl scheint sich mit dem Rock an seine Wurzeln zu erinnern: In diesem Outfit müssen seine Vorfahren einmal Amerika erobert haben.

V. HATZFELD: Johann der Schlachthöfe-Styling? United Mustermix? Oder Berufskleidung für kreuzfidele Gesangslehrer und solche, die es werden wollen?

MAGO: Als Mädel kann ich nur sagen: Aua! Der beste Beweis dafür, daß Erfolg nicht sexy macht. Eine Kultfigur ohne Kiltfigur. MEIER: Stilsicher angeschnauzt, mit nix drunter. V. SINNEN: Nietengürtel – Kruzifix – ausgeschnittene Handschuhe — Stars & Stripes — Alles out! Out! Out! Der Schottenrock ist ja noch fun — die Kombination nur geschmacklos. Am schlimmsten diese Autositzgesundheitsmurmeln ums Handgelenk.

CAMPINO: Sie trägt eine figurnahe Netzstrumpfhose mit erfrischend lustiger Watte-Stepperei links und rechts der rückwärtigen Mitte — volle Punktzahl dafür!

V. HATZFELD: Für dominante Leute, die sich nie mit dem Rücken zur Wand stellen würden. Auch als glaubwürdige Demonstration des „Den Gürtel enger geschnallt haben“. Apropos überlange Stiefel: Was könnte die verschwenderische Stoff-Fülle besser betonen? MAGO: Auch das ist Frauenbewegung. Das PR-Schlitzohr Cher läßt das Röckchen ganz weg und beim Gefolge rutschen daraufhin mutig die Säume hoch. Übrigens, während Kolleginnen noch fleißig versuchen, ihr Gesicht bekannt zu machen, wird Cher schon längst allein an ihrem Arsch erkannt. Wer will es ihr nachmachen? MEIER: Hochgezwirbelt die Kiste, vom besten Fleischer der Welt: Kleider als Vorwand, einen raushängen zu lassen.

V. SINNEN: Ich steh auf Cher, aber nicht auf Beate Uhse und Tatoos machen mich nicht an!

CAMPINO: Sie zieht sich locker-lässig nicht figurbetont an. Was will sie verbergen? Rot-braun-Töne werden hier mit Natur-Weiß kombiniert und erhalten so den Charme einer alten Kastanie.

V. HATZFELD: Mit diesem Meditativ-Styling in Bhagwhan-Tönen kommt Philosophie zum Tragen: Alles fließt… MAGO: Tja, Mädel, reingefallen, keine merkt sich Dein Gesicht, wenn Du jeder Mode hinterherläufst.

MEIER: Seelchen als Späthippie, „sensibility guaranteed“.

V. SINNEN: Ist die Dame für Gone with the Wind II‘ vorgesehen? Patent! Vorhänge runtergerissen und posiert. Dazu ein fröhliches „OmmmrnH“ auf den Lippen …