Jasmin Tabatabai steht als Schauspielerin wie als Musikerin für besondere Akzente. Die finden sich auch in ihrer Plattensammlung.


Wo Berlin ganz bei sich ist, in der Kreuzberger Oranienstraße, dort, wo am l.Mai (Rock’n’Roll!) die traditionellen Straßenschlachten steigen, dort hat Jasmin Tabatabai kürzlich ein Loft gemietet. Eine alte Fabriketage, roter Backstein. Räume so luftig, dass man fast darin Tennis spielen könnte. Oder eine Rock’n’Roll-Band auftreten lassen, komplett mit Marshall-Verstärkern und Krempel. Eigentlich ein bewohnbares Aufnahmestudio. Wegen der Nachbarn – hier gibt es niemanden, der sich über die laute Musik beschweren könnte. Und wegen dem Licht – die Fenster gehen nach Südwesten raus und reichen zur Decke.

Das heißt: Gerade liegt die Decke als blättriges weißes Pulver auf dem Boden. „Die Handwerker“, entschuldigt sich Jasmin Tabatabai, „das ist beim Streichen alles runtergekommen.“ Plastikplanen überspannen den Flur, das Sofa, die Küche. Zierlich ist sie und wirkt in der riesigen Wohnung noch zerbrechlicher. Klimpert mit dem Schlüsselbund: „Eigentlich ist das hier meine Festung“, sagt sie und meint Stalker besessene Fans, die ihr nachsteigen. Vor allem seit sie die Bankräuberin Luna im Kinohit „Bandits“ spielte, für dessen Soundtrack sie den Großteil der Songs geschreiben hat. „Bis dahin habe ich nur draufgezahlt. Mit ‚Bandits‘ habe ich das erste mal mit Musik Geld verdient.“ Dass kaum jemand von ihrem Songwriting Notiz genommen hatte (immerhin gab’s für „Bandits“ 1997 die Goldene Schallplatte), damit hat Tabatabai ihren Frieden gemacht.

Ist sie nun Musikerin oder Schauspielerin? Das ist nur eine der Fragen, mit denen sie sich herumzuschlagen hat. Und jetzt, mit ihrem ersten Soloalbum „Only Love“, dürfte alles noch viel schlimmer werden.Dabei

hat sie die Produktion des Albums ganz bewusst rau und schmutzig gelassen. „Damit die Songs für sich selbst sprechen“, wie sie sagt, und damit niemand auf die Idee kommt, hier wären mal wieder einer hübschen Schauspielerin auf die Schnelle ein paar Songs auf den Leib geschrieben worden. Das besorgt sie lieber selbst (Rock’n’Roll!), komponiert auf der Gitarre, schreibt die Texte. „Englisch, weil die Sprache einfach schöner zu singen ist. Und weil meine Lieblingsmusik auch auf Englisch ist. Aber ich werde das in letzter Zeit so oft gefragt, dass ich es mit der nächsten Platte vielleicht mal auf Deutsch versuche.“

Dabei hätte sie eine noch schönere Alternative im Repertoire: Persisch. Geboren ist Jasmin nämlich 1967 in Teheran, in einer Großfamilie, mit iranischem Vater und bayerischer Mutter. Mit Sommerferien am Kaspischen Meer und Winterferien im Elburs-Gebirge nördlich der Hauptstadt. „Und manchmal auch nach Deutschland Konsumland“, wie sie sagt, in die Heimat der Mutter, zum Einkaufen. Ein Märchen aus 1001 Nacht, „eine wunderschöne Kindheit“, wie sie sagt. Vor allem rückblickend: 1979 war Schiuss, da wurde der Schah gestürzt. „Mein Vater wusste, was kommen würde“, sagt sie: Mit der Rückkehr des Ayatollah Khomeni gingen die Tabatabais ins Exil nach Krailing bei München. „Ein Albtraum“ sei er gewesen, dieser Sprung ins kalte Wasser. Und was sie als junges Mädchen an der Schule einstecken musste, das kompensierte sie rasch mit einem Selbstbewusstsein, mit dem man es einfach auf die Leinwand schaffen muss.

Zunächst schaffte es Tabatabai nach Stuttgart, auf die Hochschule für Musik und darstellende Kunst, stand noch während des Studiums auf Stuttgarter Bühnen. Ein Engagement in Potsdam führte sie schließlich 1992 nach Berlin, wo sie, nach ihrer Zeit bei der Jazzfunkband Eskimo’s Ekstasy, bald bei Even Cowgirls Get The Blues landete, durch die Clubs der heutigen Hauptstadt tingelte und so das Musikerinnenleben kennen und schätzen lernte. Musikerin oder Schauspielerin? In „Bandits“ ist sie beides, und selbst in der Literaturverfilmung „Gripsholm“ singt Tabatabai – zu Chansons arrangierte Texte von Tucholsky. Und in ihrer Synchronisationsarbeit für Disneys Zeichentrickfilm „Hercules“ spricht und singt sie die Rolle der Meg. Das Leben der Sängerin Alexandra alias Doris Nefedov – sie starb Ende Juli 1969 im Alter von 25 (ahren bei einem Autounfall würde sie gerne verfilmen: „Ich versuche schon seit Jahren die Leute in der Filmbranche davon zu überzeugen – mit mir in der Hauptrolle.“ Ihr geschmeidigbestimmter Habitus abonniert sie im Film eigentlich auf toughe, burschikose Rollen. Auf der Platte kann sie tun und lassen, was sie will – „ein sehr, sehr angenehmer Zustand.“

Im Man geht es für Jasmin dann doch wieder auf die Bühne, jeder Song ein neues Stück. Vorbei aber sind jene Zeiten, da die Tabatabai in kaum einer Rolle ohne Zigarette zu sehen war. Denn: seit einiger Zeit raucht sie nicht mehr. Nicht etwa, um vor der Tour ihre Stimme zu schonen, „sondern weil ich mir gesagt habe: Du bist jetzt 34, überlege dir, wie du in zehn lahren aussehen willst. Und dann habe ich mir gedacht …“ – sie vollendet den Satz mit dem verächtlichen Wegschnippen einer imaginären Kippe. Rock’n’Roll!.

www.jasmin-tabatabai.de