Jimi Tenor


SEINEN BERÜHMTEN UMHANG AUS ROTEM SAMT hat Jimi Tenor heute nicht übergeworfen – er wurde ihm vor dem Gig geklaut. Wahrscheinlich wollte sich ein übereifriger Fan damit eine Spur der magischen Aura des exzentrischen Jazztechno-Helden aus Finnland aneignen-ist ja alles eine Frage des Geisteshaltung. Tenor, jetzt eben in ein blendend weißes Freizeit-Ensemble gewandet, läßt sich durch den Diebstahl nicht aus dem Konzept bringen. Der Mann ist ganz klar ein Star – einer, der in einem Paralleluniversum strahlen mag, aber nichtsdestoweniger ein Star. In England kennen ihn zwar noch nicht viele. Aber für die, die ihn kennen, ist er so was wie der Jarvis Cocker des Techno. Und Cocker mußte ja auch lange darben, bis die Welt seiner Qualitäten gewahr wurde. Heute abend demonstriert Jimi, was ein unwiderstehlicher Flirt ist Gaaanz sanft stimmt er das Publikum auf seinen schrägen Groove ein: mit einem zickigen Stück Cocktail-Jazz, das die biergetränkten Gewölbe des Astoria vergessen und die wohlige Atmosphäre einer Weinbar voller Swinger aufkommen läßt. Äußerst gefühlsecht auch, wie Jimi „this one’s for the ladeez“ ins Mikrophon haucht. Anschließend läßt er sich und seiner Band erst mal Champagner servieren – Cheers.

Die Band besteht heute abend aus dem Saxophonisten Terry Edwards, der schon in den Diensten der Tindersticks stand und sich extra für Tenor einen Hut aus Leopardenfell zugelegt hat; zwei Damen unbekannter Herkunft spielen Bass und Drums, Verstärkung kommt von einem zweiten Saxophonisten. Mit der Zeit entwickelt Jimis Set eine eigene Dynamik. Das lustvolle „Can’t Stay With You Baby“ erhält einen unerwartet technoiden Anstrich – die perfekte Vorbereitung für die Glam-Stampfnummern „Take Me Baby“ und „Sugardaddy“. Längst ist das Publikum dem Groove vollkommen erlegen. Das ist natürlich auch dem Mann in Weiß klar, der sich zur Feier des Erfolgs aufs Keyboard hockt, Schampus aus der Flasche trinkt und vor lauter Vergnügen sein Saxophon hemmungslos laut quietschen läßt. So was nennt man wohl lupenreine Lebensfreude. Und das mitten in London. Da können wir doch mächtig was lernen, Herr Ashcroft!