Joachim Witt – Hamburg, Musikhalle


Hey, hey, hey, ich war der Goldene Reiter/hey, hey, hey, ich bin ein Kind dieser Stadt’hey, hey, hey ich war so hoch auf der Leiter/dann fiel ich ab, ja, dann fiel ich ab.“ Joachim Witts Song über den Niedergang eines Aufsteigers brachte ihm – nach geduldigem Warten und Hoffen – den Durchbruch. Überall dröhnt(e) sein typischer Rhythmus aus Musicboxen und Radios. Jede Eckkneipe hat(te) ihren Witt.

Verständlich, daß die Erwartungen an Witt live auf der Bühne riesig waren – sollte man annehmen! Doch die Wahrheit offenbarte sich dem blonden Hamburger völlig anders. Fünf Konzerte der Tournee mußten wegen mangelndem Publikums-Interesse abgesagt werden. „Zwei Katastrophen“ gab’s laut Veranstalter Karsten Jahnke in Essen und Stuttgart:

Für mich eine total unverständliche Sache. Platten verkauft Joachim überall, doch die Konzerte liefen sehr unterschiedlich: Der Westen und Süden war schwach, der Norden okay. „Ausverkauft mit 2000 Fans natürlich die Hamburger Musikhalle.

Mit dem 15minütigen Intro „Sonne hat sie gesagt“, bei dem Jaki Debezeit am Schlagzeug mit mechanisch-perfekter Präzision immer wieder zu neuen Temposteigerungen animierte, ging’s los. Neben dem Can-Trommler weiter in der Band: Harald Gutowski (bs), Daniel Bontjes van Beek und Andre Rademacher an den Gitarren, Helmut Zerlett an Keyboard/Synthesizer.

Wie auch Witts Platten von einem vitalen Funk-Rhythmus getragen werden – ein Ausdruck von Joachim Witts Verbundenheit mit der Musik seiner Favoriten Talking Heads – so trieb der 33jährige auch an diesem Abend seine Band mit ähnlicher Vehemenz durch die Songs: „Inflation im Paradies“, „Tri-Tra-Trullala“, „Ich bin der deutsche Neger“, „Heaven“ und „Der Goldene Reiter“, der aber nur noch ein Zugeständnis an die Fans ist, nicht mehr Witts Plattform ’82 markiert.

Maschinell ruckhafte Zuckungen und Tanzbewegungen bestimmten seine Bühnenshow, die sehr an Gaby Delgado (DAF) und die Kraftwerk-Roboter erinnert. Joachim Witt spielt auf der Bühne eine Rolle, konsequent und mit beachtlicher Intensität. Doch ohne direkten Kontakt. Da ist kein Raum für Kommunikation mit den Fans. Keine Zeit für die Vorstellung der Band. Zum Schluß einzig ein kurzes „Tschüß“.

Ansonsten fieberte es – auf der Bühne. Die Songs wurden getrieben, brodelten in ihrer konzipierten Reduziertheit. Die zum Teil afrikanischen Rhythmen erzeugten Hitze und Schweiß, doch der Raum blieb für mich in kalter Werkshallen-Atmosphäre. Zwar tobten die Fans, tanzten zwischen Stuhlreihen und auf den Seitengängen, aber nur zu den im Ohr mitgebrachten Hits. Nicht zu Joachim Witt auf der Bühne. Der war nicht bei ihnen, nur als Figur vor ihnen.