Joe Walsh – So What?


Im Jahre 1970, dem Jahr der polternden Premiere des Hard- und Heavy-Rocks, erschien in den USA still und heimlich das zweite Album der Gruppe James Gang: „Rides Again“. Während einem überall die ersten Hard-Rockbomben mit monumentalem Aufwand und immenser Lautstärke enlgegen hingen, bemerkten nur wenige das Auftauchen der James Gang. Im gleichen Jahr erschienen schließlich die ersten Lautrillen von Black Sabbath, Uriah Heep und Mountain, die zweite Grand Funk-LP und nicht zuletzt der Deep Purple-Klassiker und Meilenstein „In Rock“. James Gang harte jedoch all diesen Bands etwas voraus: Den knackigen Rhythmus und die originelleren Arrangements. Ihr Ritchie Blackmoore hieß Joe Walsh. Er spielte eine satte Gitarre, sang ausgezeichnet, und ihm verdankte die Gruppe jene Frische und Vielseitigkeit, die sie den übrigen Heavy-Rockern voraus hatte.

Pete Townshend sah sie und war von den Socken! Spontan entschloß er sich, die Band ins Vorprogramm der nächsten Who-Englandtour zu nehmen. In Ohio soll er ihnen sogar zwei Konzerte gewidmet haben. Jedenfalls landeten die drei ersten Singles sofort in den amerikanischen Charts, nur die erste LP lief nicht an. Die vier Platten danach verkauften allderdings mehr als drei Millionen, was auch im Lande der unbegrenzten Möglichkeiten noch eine tolle Leistung ist. Bei der Cream-Abschieds-Tour 1968 trat das Trio, Joe (Gitarre, Gesang), Jimmy Fox Drums) und Bassist Dale Peters, mit an und riß alle von den Stühlen. Als „Rides Again“ in besagtem Dröhn-Jahr auf den Markt kam, hatten sie drüben schon einen guten Namen. In Europa krähte vorerst kein Hahn nach ihnen, und bis zur Auflösung sollte sich das nicht sonderlich ändern.

Maßstäbe für Eisenrock-Bands

Songs wie „Funk 49“, „Woman“. „Stop“ und „Walk Away“ setzen noch heute Maßstäbe für Eisenrock-Bands, selbst wenn sie sich dessen nicht bewußt sein sollten. Tragischerweise hatte man über knüppeldicken Deep Purple-Lobeshymnen die arme James Gang vergessen; bestimmt einer der Gründe, warum Joe ausstieg! 1972, nach dem Album „Straight Shooter“, packte er seine Koffer! Er wollte seine Musikvorstellungen lieber allein verwirklichen und außerdem paßten ihm Stil und Image nicht mehr.

Erste Soloschritte

Irgendwo scheint Joe eine Schwäche iür Italiener zu haben. Seine beiden neuen „Sidemen“ tragen die verräterischen Namen Kenny Pasarelli (Baß) und Joe Vitale (Drums). Wie James Gang also wieder ein Trio! Und genau wie dieses Trio, nennt sich auch Joe’s erstes Album: „Barnstorm“. Trotz des Titels ein reines Solo-Werk. Seine nächste LP läßt allerdings darüber keinen Zweifel mehr aufkommen, denn sie läuft unter seinem Namen und trägt den ausgefuchsten Titel „The Smoker You Drink, The Player You Get“. Soll ihm keiner den Vorwurf machen, fantasielose Plattentitel auszuwählen.

Joes Traum

Bill Szymczyk, ein in den Staaten heiß umworbener und begehrter Produzent, hat sich Joe’s angenommen. Für die Aufnahmen zu „Smoker…“ ist das Trio um den Tastenmann Rocke Grace erweitert worden. Joe selbst hat inzwischen am Synthesizer Gefallen gefunden. Schon seit einiger Zeit befaßt er sich mit E-Tonmaschinen und der sogenannten E-Musik (Klassik). Erst auf seiner kürzlich erschienenen dritten LP „So What“ findet man einen entsprechenden Einfluß: Das Stück „Pavane“ von Maurice Ravel (1875-1937), das Joe allein mit diversen Synthesizern eingespielt hat. Ansonsten hängt der Schatten von James Gang über ihm, gut gemixt mit Klängen des Country-Rocks ‚und ein wenig „Funk“. Seit Jahren schon träumt Joe davon, eines Tages eine Platte mit rein elektronischer Musik herauszubringen.

Die Fliegerei

Joe schwärmt für die Fliegerei. Ein klappriger Oldtimer-Flugkörper ziert den „Smoker“, und auf der neuen Scheibe blickt Joe durch eine alte Fliegerbrille. Mit wehendem Schal erinnert er irgendwie an den legendären „Red Baron“, jedenfalls an Bilder von ihm. In den Staaten ist dieser deutsche Baron aus dem 1. Weltkrieg ja nach wie vor eine Art Held – oder Witzfigur! Da Joes Begleitband „Barnstorm“ nur noch lose besteht, weist die LP denn auch jede Menge Gastmusiker auf. Joe bucht« dafür einen der derzeit besten Background-Chöre: Die drei Sänger der Eagles. Dank einiger sorgfältig ausgewählter Details wie diesem, ist „So What“ ein feines Album geworden. In Amerika wurde es verdient schon am Auslieferungstag vergoldet.

Jede Menge Aktivitäten

Momentan tritt Joe wieder häufiger auf, meist mit Gästen der LP. Es bleibt ihm währenddessen genügend Zeit, andere Interessen wahrzunehmen. Zum Beispiel seiner Produzenten-Neigung. Die neue Dan Fogelberg-Platte geht auf sein Konto und erhielt allenthalben beste Kritiken. Mit einigen illustren Rockgrößen jammte er öfters, so auch während der letzten Eric Clapton-Tournee, wo er bei einigen Gigs auf die Bühne sprang. Nicht faul, fand Joe dazwischen noch Zeit, bei Elton John-, Keith Moon- und Dr. John-Plaltenaufnahmen mitzumischen, alles Musiker, die gesteigerten Wert auf seine Anwesenheit legten. Schließlich ist er heule ein erfahrener, ausgereifter Musiker, dessen Können sich lohnt, einzuspannen. Selbst wenn das selbstsichere, jede Kritik vom Tische fegende „So What“ (Also was…!?) anfangs hochgestochen und arrogant klingen mag, läßt es keinen Zweifel darüber aufkommen, daß Joe weiß, was er will, der seine Solo-Rolle unbedingt braucht, um seine weitgefächerten Ideen und vielseitigen Aktivitäten unter einen Hut zu bekommen. Und das Wichtigste dabei: Der Hut paftt ihm ausgezeichnet!