John Cale


Entzauberung und Grusel im Kölner Gloria: Einer der größten Erneuerer in der Geschichte der Rockmusik schlurft übellaunig durch die Pub-Rock-Synthpop-Crossover-Schlock-Werdung seiner selbst.

Es ist ein Elend mit uns Fans: bei aller Offenheit und größtem Willen, einem Künstler mit langer Geschichte begeistert in dessen Gegenwart zu folgen, können wir letztlich nicht aus unserer Haut, wollen Erwartungen erfüllt bekommen, das Lieblingslied, den Trademark-Sound hören. Der Deal des Fans ist: Ich bin bereit für deinen neuen Shit, wenn du bereit bist, mir den alten zu geben. Ein Dilemma, das so unterschiedliche Lichtgestalten wie Axl Rose und John Cale verbindet, dessen Konzert im Kölner Gloria ich besuche. Das bereits tüchtig missratene neue Album, das klingt wie sein bescheuertes Cover aussieht, so oll, überkommen und verirrt, deutet nur an, wie fürchterlich das Konzert ist. Die Band wirkt wie aus einem Bildwitz über Musikalienhändler gestiegen (sofern es solche Bildwitze gibt), ein wenig als seien eine Woche vor der Tour die eigentlichen Musiker krank geworden und weil die Guano Apes zufällig in der Stadt waren, boten sie an: „John, zieh uns deine Songs auf einen USB-Stick, die schaffen wir uns bis zum Tourstart drauf.“ Exakt gar keiner der Songs, die man gerne hören würde, wenn man zu Cale geht, wird gespielt. Es ist, als hätte er selbst vergessen, dass er mit Platten wie Paris 1919, Vintage Violence oder Fear eine Handvoll Meisterwerke aufgenommen hat. Ein kurzer Ausflug zu Helen Of Troy wird dankbar gefeiert, bleibt aber das einzige Zugeständnis an die Anhänger seiner irrsinnig guten 70s-Alben. Ansonsten eben all die Songs, die man sich schon auf Platte mit Leibeskräften schönhören musste oder nach dem nicht gelungenen Schönhören am liebsten nie wieder gehört hätte und die auch durch den lust- und lieblosen Vortrag nicht besser werden. „Persönlich“ wird es nur kurz, als Cale mitten im Song zu singen aufhört, Zuschauer fixiert, mit der Handfläche eine Kopf-ab-Bewegung vor seinem Kehlkopf andeutet und Anweisung gibt: „Cut it out!“ (irgendwer raucht oder filmt, who knows). Als das Elend ein Ende hat: hochmotivierter Applaus in der Hoffnung, dass man sich diesen Schrott deshalb angehört hat, um mit der kathartischen Zugabe erlöst zu werden. Natürlich gibt es keine. Wie man bei einem solchen Œuvre ein solches Konzert spielen kann: es ist so rätselhaft wie rekordverdächtig. Der schöne Moment am Ende des letzten Sex-Pistols-Konzerts, Johnny Rottens berühmtes Zitat „Ever get the feeling you’ve been cheated?“ ließ zumindest insofern teilhaben, als man als Gefoppter einbezogen wurde. Nicht einmal diese Erlösung gönnte uns John Cale. Hätten vielleicht mehr rauchen (oder filmen?) sollen?