John Cale – London, Venue


Cale kam allein. Akustische Gitarre. Klavier, Gesang, Nichts sonst Verschwunden auch das bandagierte Kopfkostüm, die Luftschutzbrille, die personifizierte Paranoia Schlicht gekleidet schwarze Lederhose. Hemd. Brille, leicht dunkel getönte Gläser – und gut genährt (aber nicht fett, wie manche, die es immer besser wissen wollen, vorher kolportierten) betrat er die Bühne und packte uns gleich, ohne sich lang aufzuhalten, mit einem seiner schönsten, klarsten Lieder, von einem seiner schönsten, klarsten Alben (MUSIC FOR A NEW SOCIETY): „Chinese Envoy“.

Schon nach den ersten zwei, drei Akkorden – fast wie ein Wunder, aber Cale ist ein Wunder – schwieg das Publikum, kein Geschnatter mehr, kein Fußrascheln, Räuspern, kein Gläserschieben an der Bar. Cale hatte, ganz unaufdringlich, Aufmerksamkeit gefordert und erhalten. Er behielt sie für die ganzen eineinhalb Stunden seines Auftritts.

Von Cale-Konzerten kann man zweierlei erwarten: Entweder ist er katastrophal schlecht oder sehr, sehr gut. An diesem Abend war er gut Er war anscheinend total entspannt, fast heiter, nippte zwischendurch an seinem Bier und auch an dem Flachmann, den ihm ein Zuschauer heraufreichte, machte Smalltalk mit dem Publikum. Er interpretierte seine Songs karg und gestaltete alte Nummern wie „Guts“. „Helen Of Troy“ und „Waiting For The Man“ simpel, neu.

Er entschärfte nichts, präsentierte seine Lieder nur anders, auf einer fast kammermusikalischen. sehr intensiven Ebene. Manchmal war er zart, zum Zerbrechen zart, um es dann gleich wieder zu zerhämmern. Er ließ sich einfach nicht zur Ruhe kommen, man konnte bei seinen Liedern nicht einwippen, einnicken. Mit „Heartbreak Hotel“ – mein Gott, was für ein Song, wenn Cale ihn singt verwandelte er das Venue in eine höllische Kathedrale Alles duckte sich und war wie erlöst, als Cale seine letzte Wut in die Klaviertasten gehämmert hatte.